Vertuschung statt Aufklärung im Iran

Vier Jahre nach den Morden an zwei Politikern und zwei Schriftstellern im Iran sind die Täter immer noch nicht dingfest gemacht. Außer dem Anwalt der Hinterbliebenen der Opfer gerät jetzt auch dessen Rechtsbeistand in die Schusslinie

BERLIN taz ■ Seit vier Jahren versucht die in Frankfurt lebende iranische Künstlerin Parastou Forouhar den Mord an ihren Eltern aufzuklären. Die beiden oppositionellen Politiker Parvaneh und Dariush Forouhar wurden am 21. November 1998 in Teheran ermordet. „Laut Gerichtmedizin hatte meine Mutter Würgemale am Hals und im Mundbereich sowie vierundzwanzig Messerstiche in der Brust“, sagt die Tochter. „Mein Vater wurde mit elf Messerstichen ermordet.“

Weder diese beiden Morde, noch die, die zwei Wochen danach an den Schriftstellern Mohammad Mochtari und Mohammad Djafar Pujandeh verübt wurden, sind aufgeklärt. Die Attentate, auch als „Kettenmorde“ bezeichnet, wirkten auf die Bevölkerung, die der Sieg der Reformbewegung bei den Präsidentenwahlen auf bessere Zeiten hoffen ließ, schockierend. Präsident Chatami versprach, er werde alles tun, um Täter und Auftraggeber zu finden. Zwei Monate später gab das iranische Informationsministerium offiziell zu, Angestellte des Geheimdienstes seien in die Mordserie verwickelt gewesen. Doch statt der Staatsanwaltschaft übernahm das Militärgericht die Ermittlungen.

Damit nahm ein Prozess von Vertuschungen seinen Lauf. Im Juni 1999 nannte der Chef der Militärstaatsanwaltschaft die Namen von vier Haupttätern, teilte jedoch mit, dass der wichtigste, Said Emami, Stellvertreter des Informationsministers, sich im Gefängnis das Leben genommen habe! Die Ermittlungen wurden im September 2000 abgeschlossen, die Akten dem Militärgericht übergeben. Danach wurden in einem Geheimprozess zwei Personen als Drahtzieher zu lebenslanger Haft, drei, die die Morde ausgeführt hatten, zum Tode verurteilt. Weitere Beteiligte erhielten Haftstrafen.

Einige Monate später wurde der Prozess vom Revisionsgericht als mangelhaft bezeichnet. Die nächste Instanz wandelte die Todesstrafen in zehn Jahre Haft um. Die anderen Angeklagten erhielten drei bis vier Jahre und wurden freigelassen. Die Milde der Urteile begründete das Gericht damit, dass die Hinterbliebenen der Opfer auf die Todesstrafe verzichtet hätten. Dazu sagte Parastou Forouhar: „Wir wollten keine Rache üben, sondern die Verbrechen gegen politisch Andersdenkende aufdecken. Zudem fühlen wir uns den politischen Zielen der Ermordeten verbunden und lehnen daher die Todesstrafe ab.“

Der Anwalt der Hinterbliebenen, Nasser Zarafshan, ließ den Fall nicht auf sich beruhen. Die Morde seien nicht aufgeklärt, die Justiz habe es unterlassen, die Auftraggeber zu ermitteln. Nicht einmal der damalige Informationsminister sei zur Verantwortung gezogen worden. Diese Kritik führte dazu, dass dem Anwalt selbst der Prozess gemacht wurde. Er wurde beschuldigt, Staatsgeheimnisse verraten zu haben. Am 16. August 2002 wurde er festgenommen. Angeblich sollen bei der Durchsuchung seines Büros Waffen und Alkohol gefunden worden sein. Zarafshan wurde von einem Militärgericht zu fünf Jahren Gefängnis und 70 Peitschenschlägen verurteilt.

Gegen das Urteil und die Haft habe er sofort Widerspruch eingelegt, sagte Zarafshans Anwalt Djedari Forughi vergangene Woche in Berlin. Das Militärgericht sei weder für die Kettenmorde noch für den Anwalt der Hinterbliebenen zuständig. Er selbst stehe stark unter Druck. Neulich sei er fast durch einen inszenierten Unfall umgebracht worden. Man habe ihm signalisiert, dass er jederzeit verhaftet werden könnte. Diese Einschüchterungen hätten dazu geführt, dass von den rund zehntausend Anwälten höchstens fünfzehn bereit seien, politische Fälle zu übernehmen. Zarafshan sei der sechste Anwalt, der verurteilt worden sei. „Sollte ich verhaftet werden, wird wohl niemand mehr wagen, meine Verteidigung zu übernehmen“, sagte Djedari Forughi. BAHMAN NIRUMAND