Nordische Ski-WM am Holmenkollen: Zünftiges Zelten im Schnee

Am Donnerstag beginnt die Nordische Ski-WM in Oslo. Am Holmenkollen, der Wiege dieses Sports, wird eine spitzenmäßige Stimmung erwartet.

"Das Wimbledon des nordischen Skisports": Ein langläufer vor der legendären Großschanze am Holmenkollen. Bild: dpa

OSLO taz | Infiziert hat sich Jens Filbrich auf dem Wohnzimmersofa. 14 Jahre jung war der gebürtige Suhler, als er im Elternhaus am Südhang des Thüringer Waldes die Olympischen Spiele in Lillehammer verfolgte. "Damals saß ich mit leuchtenden Augen vor dem Fernseher", erinnert sich Filbrich an das schöne, familiäre Sportfest in dem norwegischen Städtchen, das unter Olympias Kalt-Ausgaben bis heute als die sympathischste, erinnernswerteste gilt. Auch für Langläufer Filbrich, der nun 180 Kilometer südlich von Lillehammer in Oslo sitzt - wegen einer Dienstreise, über die der inzwischen 31-jährige Familienvater sagt: "Ich hoffe, dass diese Weltmeisterschaften ähnliche Festspiele werden wie die Spiele in Lillehammer."

Die Chancen für die Nordische Ski-WM, die gestern Abend eröffnet wurde und deren Wettkämpfe heute beginnen, stehen jedenfalls ausgezeichnet. Denn Oslo, weiß Filbrich, "ist ohnehin immer etwas Besonderes". Weil hier die Wiege des nordischen Skisports steht. Weil am Holmenkollen, Oslos Hausberg mit der zweitältesten Skisprungschanze der Welt, schon 1892 die ersten Sprünge in den Schnee gesetzt wurden. Weil die Hauptstadt mit ihren 600.000 Einwohnern besonders viele wintersportverrückte Norweger beherbergt. Kurzum: Globale Titelkämpfe an Oslos weltberühmtem Berg, das ist ungefähr so wie Fußball-WM in Brasilien, Rugby-WM in Neuseeland oder Tischtennis-WM in China.

"Das Wimbledon des nordischen Skisports" fällt dem Nordischen Kombinierer Tino Edelmann als weiterer Vergleich ein. Wobei die skandinavische Kultstätte vor der Ausrichtung ihrer vierten WM nach 1930, 1966 und 1982 - plus Olympia 1952 - ein offensichtliches Problem lösen musste. Denn beim stolzen Alter der Ablagen am Holmenkollen reichte ein bisschen Make-up nicht mehr aus, da musste es schon ein ganz tiefer Griff hinein ins Schminkkästchen sein.

Gekostet hat das umfassende Lifting am Ende stattliche 200 Millionen Euro, fast dreimal so viel wie ursprünglich veranschlagt. Dafür erstrahlt die alte Großschanze, mit Hilfe von tausend Tonnen Stahl völlig umgebaut, in frischem Glanz und gilt nun als die modernste weltweit. Komplett neu in die Landschaft gesetzt wurde die Normalschanze auf dem benachbarten Hügel Midtstuen. Und wo die Wiegen-Hüter schon dabei waren, entstand unmittelbar neben der Holmenkollen-Schanze, von deren Kopf aus sich ein traumhafter Blick auf den Oslo-Fjord eröffnet, ein neues Skistadion mit einer um die Hälfte gekürzten Strecke für die Langläufer.

Die Zuschauer freuts, denn so kommen die Spezialisten bei ihren Rennen doppelt so oft wie früher im Stadion vorbei. "Oslo", tönt WM-Sportdirektor John Aalberg, zuletzt Generalmanager für den nordischen Bereich bei den Vancouver-Spielen, zu all dem, "wird der Welt ein Winterfest ohnegleichen bieten." Und diese Sause lassen sich natürlich auch die Menschen aus dem Gastgeberland nicht entgehen: 200.000 Tickets standen offiziell zum Verkauf, mit 300.000 Zuschauern rechnen die Veranstalter, wobei die ersten Vorbestellungen für die Zeltplätze rund um den "Kollen" schon im letzten Sommer eingingen. Seit dem Wochenende werden an den Loipen am WM-Berg nun eifrig die Zelte eingebuddelt, wärmende Öfen aufgestellt und die zur Schneeparty passenden Getränke eingelagert. Lillehammer 1994 gilt unter den Norwegern dabei als anerkanntes Stimmungs-Vorbild.

Im Lager der deutschen Sportler allerdings ist die gute Laune während der WM-Tage längst nicht gewährleistet. So werden die Nordischen Kombinierer des DSV vor dem Saisonhöhepunkt als Buch mit sieben Siegeln geführt, und Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle klagt bei seiner Abteilung in Sachen Vorbereitung über "massive gesundheitliche Probleme", wie er sie in den vielen Jahren seiner Tätigkeit "noch nie erlebt" habe.

Medaillen erhofft sich der DSV in beiden Disziplinen am ehesten in den Teamwettbewerben, dagegen hat sich der 22-jährige Severin Freund bei den Skispringern mit seinen ersten zwei Weltcupsiegen im Januar das Recht auf viel Selbstvertrauen erarbeitet. "Favorit bin ich in Oslo keiner, eher ein gefährlicher Außenseiter", erklärt der Niederbayer genüsslich und betont, wo er nun direkt am Holmenkollen-Flair schnuppern kann: "Das hier wird, glaub ich, wirklich was ganz Besonderes. Ich jedenfalls freu mich wahnsinnig drauf."

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