Aachen wirft Sportdirektor raus: Er lässt sich gehen

Nach gezielter Provokation wird Sportdirektor Schmadtke von Alemannia Aachen entlassen. Dass der Klub in einem furiosen Match 2:0 gegen Mainz gewinnt, gerät zur Randnotiz.

Charmant arrogant oder hoffnungsloser Egomane? Alemannias scheidender Sportdirektor Jörg Schmadtke.

Aus sportlicher Sicht ist die Geschichte schnell erzählt. Alemannia Aachen hatte ein hochklassiges Match gegen den entthronten Tabellenführer Mainz 05 begeisternd 2:0 gewonnen. Die fahrigen Gäste waren mit dem Halbzeitstand bestens bedient. "Unendliche Entschlossenheit" hatte Aachens Trainer Jürgen Seeberger angekündigt, Mainz bewies große Unentschlossenheit, die erste Saisonniederlage zu verhindern. "In der ersten Halbzeit waren wir gar nicht anwesend", befand Verteidiger Tim Hoogland, einer der Abwesendsten, den Alemannias Großtalent Lewis Holtby, ein A-Jugendlicher und U19-Auswahlspieler des DFB, zeitweise schwindlig getanzt hatte.

Die eigentliche Geschichte dieses Abends ist komplizierter und in manchen Details noch nicht ausgeleuchtet. Sie dauert fast anderthalb Jahre und nahm kurz vor dem Anpfiff einen dramatischen Verlauf. Da war Aachens Sportdirektor Jörg Schmadtke, 44, mit großer Entschlossenheit vor die Kameras getreten und hatte verkündet, er werde seinen im Sommer auslaufenden Vertrag nach sieben Jahren nicht verlängern. Die Trennung war hinter den Kulissen schon diskutiert worden, eine Ankündigung aber nicht abgesprochen. Schmadtkes Begründung für sein Solo: "Der Zeitpunkt ist gekommen. Ich will nicht länger herumeiern, keine Geschichten erfinden. Bei einem Livespiel können es alle hören, fertig."

Die Eigenmächtigkeit löste sofort große Dynamik aus. Jürgen Linden, Vorsitzender der Alemannia GmbH und seit fast 20 Jahren Oberbürgermeister der Stadt, wurde per SMS alarmiert. Linden ist es gewohnt, alle Fäden in der Hand zu haben. Also Krisentreff aller Gremien sofort nach dem Spiel. Schmadtke merkte draußen noch ironisch an, er werde bis zum Sommer "alles für diese GmbH tun", da hatte "die Familie Alemannia" (Geschäftsführer Fritjof Kraemer) bereits die Daumen gesenkt. "Die Art und Weise einer solchen Kommunikation ist nicht üblich", sagte Linden. Um Mitternacht war Schmadtke fristlos beurlaubt.

Der ehemalige Bundesligatorwart (Düsseldorf, Freiburg) war 2001 über eine damals sehr belachte Stellenanzeige im Kicker in Aachen gelandet. Alemannia, von Tölpeln jenseits des Rechts geführt, lag niedergewirtschaftet am Boden, Spieler liefen mit Sammelbüchsen durch die Stadt. Schmadtke, bald ehrfurchtsvoll "Mr Cool" genannt, hatte ein magisches Händchen bei Spielerkäufen. Er gilt als Vater eines märchenhaften Aufschwungs, der ins Pokalfinale, in den Uefa-Cup und für ein Jahr in die Bundesliga führte. Schmadtkes Glückssträhne riss im Sommer 2007. Da waren die Clubgewaltigen dem Charme von Guido Buchwald erlegen und hatten ihn als Trainer verpflichtet. Buchwald floppte als Blender und flog bald raus (November 2007).

Brummbär Schmadtke wirkte seitdem weniger präsent. Sein Missmut schien nicht mehr Attitüde, sondern echt. Manche nannten seine charmante Arroganz auch schon "absoluten Egomanismus" (Fanforum). Im Frühjahr hatte Alemannia mit viel Werbetamtam die "Tivoli-Anleihe" aufgelegt - sie soll garantieren, dass das neue Stadion (Eröffnung August 2009) nicht Bitburgerbude oder Lambertz-Printen-Arena heißen wird, sondern ewiglich Tivoli. Schmadtkes Gesicht, ein Synonym für Alemannia seit 2001, fehlte in den Werbekampagnen. "Ich bin nie gefragt worden", sagt er heute. "Ich habe versucht, das nicht zu bewerten." Beim Spatenstich fehlte er auch.

Offenkundig ist die Vertrauensbasis schon länger dahin. Sturkopf Schmadtke, fachlich immer unumstritten, bat im März um Auflösung des Vertrages. Alemannia lehnte ab. Stattdessen hörte man von Aufsichtsratssitzungen, bei denen Schmadtke gefragt wurde, ob er glaube, seiner Arbeit noch im erforderlichen Maße nachzugehen. Die Stimmung, sagen Teilnehmer, sei eisig gewesen und die Wortgefechte laut.

Als die Akteure am Montagabend den Platz verließen, hatten die ahnungslosen Fans Schmadtke noch in Sprechchören gefeiert. Aber er kennt die Usancen der Branche hinlänglich. Wurde Mr Cool eiskalt abserviert - oder hat er das abrupte Ende gewollt? "Die Bewertung überlasse ich anderen", sagte er gestern. Rauswurf aus Kalkül? "Ich habe niemanden provozieren wollen, aber sagen wir es so", und man meint ein Lächeln zu hören, "ich musste das einkalkulieren." Traurig wirkte er nicht: "Ich bin weit entfernt von Sentimentalität."

Jetzt beginnt nach sieben Jahren Ehe der Rosenkrieg um eine Abfindung, die Jörg Schmadtke schon im Frühjahr wollte. Und die genasführte Alemannia könnte naheliegend auf Erik Meijer als Nachfolger kommen. Oder eine neue Anzeige im Kicker schalten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.