Kommentar über neue Ölbohrungen: Beweis für Reformunfähigkeit

Das Desaster für Küstenfischerei und Umwelt nach der Ölkatastrophe ist vergessen. Die US-Regierung ist eingeknickt, denn die Welt braucht Öl.

Rückgrat sieht anders aus. Lange bevor die juristischen Auseinandersetzungen über das von der Regierung verhängte Moratorium für Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko abgeschlossen sind, hat die US-Regierung es schon wieder aufgehoben. All die Unternehmen, die nach der Explosion der von BP bewirtschafteten "Deepwater Horizon" im April noch erleichtert geseufzt hatten, dass es nicht ihnen passiert war, dürfen jetzt neue Förderlöcher bohren, auch in Tiefen über 150 Meter.

Dazu müssen sie nur nachweisen, dass sie die neuen Sicherheitsbestimmungen erfüllen und die Technologie vorhalten, Lecks schließen zu können. Wir dürfen sicher sein: Wenn diese Zulassungsverfahren zu lange dauern, wird es neuen Druck geben, um sie aufzuweichen. Die Ratlosigkeit der Ingenieure, die Ohnmacht der Regierung, das Desaster für Küstenfischerei, Tourismus und Umwelt - alles vergessen, die Welt braucht Öl.

Noch im Dezember hatte Greenpeace USA anerkennend verkündet, wie prima es doch sei, dass die US-Regierung in ihrem Konflikt mit den Ölkonzernen hart bleibe. Vorbei. Die Ölindustrie hat gesiegt. Sie ist mit allem ausgestattet, was man braucht, um so eine Auseinandersetzung zu gewinnen: einen Rohstoff, von dem nicht nur die USA gar nicht genug kriegen können, Geld, Einfluss, Freunde. Und die Aussicht auf Arbeitsplätze.

Die Obama-Regierung stand unter massivem Druck. Seinen ursprünglichen Versuch, die Umweltkrise als Chance zum Umdenken zu begreifen und einen dementsprechenden Diskurs aufzubauen, hat Obama schnell aufgegeben. Die politische Kraft reicht so weit nicht.

Reformen, Umweltschutz und Nachhaltigkeit wirken langfristig - aber Wahlen sind schon im nächsten Jahr. Spätestens nach der Novemberpleite der Demokraten werden sie nichts mehr unternehmen, was die Gegenseite als Verhinderung von Arbeitsplätzen angreifen könnte. Das Einknicken ist ein weiterer Beweis für politisch-strukturelle Reformunfähigkeit. Aber damit stehen die USA nicht alleine.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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