Britisches Blatt für einen Pfund verkauft: Russe übernimmt "Independent"
Die kriselnde britische Tageszeitung "Independent" ist vom russischem Milliardär Lebedew aufgekauft worden. Dieser hatte zuvor schon den "Evening Standard" übernommen.
DUBLIN tazDie Tageszeitung The Independent und seine Sonntagsausgabe sind am Donnerstagnachmittag an den russischen Milliardär und Ex-KGB-Agenten Alexander Lebedew für ein Pfund verkauft worden. Damit ist er der vierte Eigentümer in der Geschichte der jüngsten britischen Tageszeitung. Das Blatt war 1986 von drei Journalisten des Daily Telegraph gegründet worden, die eine unabhängige Zeitung links von der Mitte auf dem Markt etablieren wollten.
Zunächst hatte das Konzept gut funktioniert. Der australische Medienmogul Rupert Murdoch verlegte damals die Redaktion seiner Zeitungen Times und Sun aus Kostengründen nach Wapping, worauf viele seiner Topjournalisten aus Protest zum Independent wechselten. Es begann die beste Zeit des Blatts: 1989 lag die verkaufte Auflage bei 423.000, nur 18.000 weniger als der Guardian und 10.000 weniger als die Times. Der Guardian antwortete mit einer Layoutreform, Murdoch mit Preiskrieg.
Von da ab ging es mit dem Independent bergab. Die Auflage sank unter 200.000. Daran konnte auch die Auszeichnung als beste überregionale Zeitung des Jahres 2004 nichts ändern. 2003 war der Independent auf Tabloidformat geschrumpft, was die Auflage vorübergehend auf 220.000 Exemplare trieb. Doch der Aufschwung war nicht von Dauer. Im vorigen Monat lag die verkaufte tägliche Auflage nur noch bei knapp 184.000 Stück. 2009 machte das Blatt 12,4 Millionen Pfund Verlust.
Der irische Eigentümer, Independent News and Media (INM), wollte den Independent schon lange loswerden, weil er die Bilanzen des Unternehmens mit Zeitungen in Irland, Südafrika, Australien und Asien versaut, wie Geschäftsführer Gavin OReilly sagte. Damit Lebedew alle Verbindlichkeiten des Independent übernimmt, zahlt ihm INM in den nächsten zehn Monaten noch 9,25 Millionen Pfund.
Der Verkauf muss noch vom irischen Kartellamt genehmigt werden, was eine Formsache ist. Was aber hat Lebedew mit dem Independent vor? Will er ihn in ein Gratisblatt verwandeln, wie er es beim Londoner Evening Standard machte, den er 2009 erwarb? Beobachter halten eine Preissenkung für wahrscheinlicher. Am Donnerstag gab es jedenfalls erst mal verhaltenen Jubel bei den Redakteuren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann