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BUNDESPRÄSIDENT II In der Bundesversammlung dürfen sich Kandidaten nicht vorstellen, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Ein Antrag auf Rederecht des NPD-Kandidaten vor der Wahl des Bundespräsidenten sei daher zu Recht ignoriert worden

Die Präsidenten- wahl soll dem parteipolitischen Streit enthoben sein

KARLSRUHE taz | Wer als Bundespräsident kandidiert, darf sich in der Bundesversammlung auf keinen Fall persönlich vorstellen. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden. Anträge mit diesem Inhalt können in der Bundesversammlung einfach ignoriert werden.

Dem Verfahren lagen zwei Klagen von NPD-Mitgliedern zugrunde, die an der Wahl von Horst Köhler im Mai 2009 und Christian Wulff im Juni 2010 teilgenommen hatten. Einer der Kläger war der heutige Parteivorsitzende Udo Pastörs. Gewählt wurde jeweils in der Bundesversammlung, der rund 1.200 Mitglieder angehören. Die eine Hälfte sind die Bundestagsabgeordneten, die andere Hälfte wird von den Landtagen gewählt, wobei auch manche Sportler und Schauspieler zum Zug kommen.

Pastörs und seine Parteigenossen hatte im Vorfeld der Wahl jeweils mehrere Anträge gestellt. Vor allem wollten sie, dass sich die Kandidaten jeweils 30 Minuten in freier Rede vorstellen. Dies hätte natürlich auch für den NPD-Kandidaten Frank Rennicke gegolten. Außerdem forderte Pastörs, dass die NPD Wahlbeobachter stellen kann, die bei der Auszählung der Stimmen anwesend sein können.

Die Bundesversammlung wurde von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) geleitet. Den Antrag auf Kandidatenvorstellung ließ er gar nicht zu. Über die NPD-Wahlbeobachter wurde immerhin (ablehnend) abgestimmt, allerdings ohne dass Pastörs den Antrag mündlich begründen durfte. Die NPDler um Pastörs sahen deshalb ihre Rechte als Mitglieder der Bundesversammlung verletzt und erhoben Organklage.

Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag die Anträge der NPDler abgewiesen. Norbert Lammert habe ihre Rechte nicht verletzt und alles richtig gemacht. Den Antrag auf persönliche Vorstellung der Kandidaten habe Lammert zu Recht ignoriert, so die Verfassungsrichter, denn eine Vorstellung der Kandidaten verstoße gegen das Grundgesetz.

Dort heißt es, der Bundespräsident werde „ohne Aussprache“ gewählt (Artikel 94). Das Wahlverfahren solle dem „parteipolitischen Streit“ enthoben sein und die „Würde des Amtes“ unterstreichen, argumentierten die Richter. Schließlich verkörpere der Bundespräsident die „Einheit des Staates“.

Der NPD durften auch Wahlbeobachter verweigert werden, obwohl sie einen eigenen Kandidaten stellte. Es genüge als Kontrolle, so befanden die Karlsruher Richter, dass es Schriftführer aus „verschiedenen Fraktionen“ gebe.

Und schließlich war es auch korrekt, dass die NPDler ihre Anträge zum Verfahren – soweit sie überhaupt zulässig waren – nicht mündlich begründen durften. Derzeit sei eine persönliche Begründung nicht gesetzlich vorgesehen und einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Rederecht hätten die Mitglieder der Bundesversammlung nicht.

Auch mit dieser Entscheidung betraten die Verfassungsrichter Neuland. Richter Peter Müller durfte freilich nicht mitberaten. Er war – damals noch als Saar-Ministerpräsident – selbst Mitglied der Bundesversammlung.

CHRISTIAN RATH

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