TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Schreibprozess und Schreiben als Prozess
Ein schöner Texteinstieg von Robert Menasse geht so: „Sehr geehrte Damen und Herren! Arbeit ist ein Verhängnis. Diesen ersten Satz, der noch nicht unbedingt etwas bedeuten muss, brauchte ich aus zwei Gründen: erstens, weil man immer einen ersten Satz braucht, und zweitens, weil ich seit Stunden einen zweiten Satz habe, der aber leider nicht als erster Satz taugt. Ich brauchte also nicht nur wie immer einen ersten Satz, was schon kompliziert genug ist, sondern einen, der zu einem ganz bestimmten zweiten Satz hinführt.“ Ich hatte gerade nicht mal einen zweiten Satz, und eigentlich war es ganz und gar dumm den Menasse voranzustellen, weil wie soll man da noch etwas zustande bringen?
Ich habe noch nie einen guten Autor, eine gute Autorin getroffen, der/die nicht behauptete, das Schreiben sei eine Qual. Außer bei Trunkenheit. Womit mir Hunter S. Thompson einfällt, der mal schrieb, bevor er sich irgendwann in den Kopf schoss, mit dem Schreiben sei es wie mit dem Sex, er mache nur den Amateuren Spaß. Dabei bin ich bloß eine Schreibende und keine Schriftstellerin. Womit ich aber schon wieder in bester Gesellschaft bin, weil das auch Michel Foucault von sich behauptete. Der sagte auch, „nicht das Schreiben ist glücklich, sondern das Glück zu existieren hängt vom Schreiben ab“, und fragte, wie es sein kann, dass eine so „vergebliche, so fiktive ... so auf sich selbst zurückgefaltete Geste“ diese segenreiche Wirkung auf den ganzen Rest haben kann. Das sei, weil man beim Schreiben seiner Existenz Absolution erteile. Deshalb die Anspannung, wenn einfach kein erster Satz einen zweiten überholen will.
„Das giftige Herz der Dinge“ (Diaphanes 2012) ist der schöne Titel des Büchleins, in dem Foucault das sagt und über das Verhältnis des Schreibens zum Tod nachdenkt. Und es gibt wirklich nicht viel Besseres, was man lesen kann, wenn einem gerade kein erster Satz einfällt.
■ Die Autorin ist Kulturredakteurin