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Archiv-Artikel

DAUMENKINO „Die Farbe des Ozeans“

Die große Elendsoper der Flüchtlinge, angerichtet für Touristen, sentimentale Mittelschichtler und Wohlstandszyniker

Die Sonne strahlt, die Luft flirrt, der Sand ist heiß, das Wasser klar, der Bikini knapp, der drahtig-sportliche Körper braungebrannt. Doch mit einem Mal steht diese allein von der deutschen Touristin Nathalie (Sabine Timoteo) bewohnte Werbefilm-Idylle am spanischen Strand Kopf: Ein Flüchtlingsboot aus Afrika strandet, viele darin sind unter der prallen Sonne längst verdurstet, die Überlebenden stehen kurz davor. Darunter: der hünenhafte Zola (Hubert Koundé), der um das Leben seines kleinen Sohnes Mamadou (Dami Adeeri) kämpft.

Noch bevor Nathalie ihm eine Flasche Wasser besorgen kann, schirmen spanische Grenzpolizisten die Szenerie ab. Dennoch bleiben Nathalie und Zola schicksalshaft miteinander verbunden. Zola flieht mit seinem Sohn aus dem nahen Sammellager, da die Abschiebung droht. Auf der Flucht vor der Polizei sieht er in Nathalie, der die Erfahrung des menschlichen Elends den Boden ihrer abgeschirmten Mittelschichtswelt unter den Füßen wegzuziehen droht, die einzige verbliebene Hoffnung auf wenigstens finanzielle Hilfe.

Im Grunde ist das Exploitation-Kino: Zolas und Mamadous Erlebnisse (insbesondere für Ersteren ist die ganz große miserabilistische Oper vorgesehen) dienen zuvörderst dem Triggern anschlussfähiger Sentimentalitäten einer jungen, orientierungslosen Mittelschicht, die um das Gute redlich bemüht ist – und dies noch im grün angestrichenen Wohlstandszynismus, verkörpert durch Nathalies Freund Paul (Friedrich Mücke), der zwar gerne guten Zwecken Geld spendet, im Einzelnen konkrete Hilfe aber verweigert. Zola und Mamadou und die echten Menschen, für die sie außerhalb des Kinos stehen, werden dabei glatt verraten: Für die menschliche Katastrophe an den Toren Europas interessiert sich „Die Farbe des Ozeans“ in etwa bis zum eigenen Bauchnabel.

Man erfährt wenig von der realen Problematik, aber viel über Befindlichkeiten deutscher Touristen, die von ferne an Europas Ränder tasten. „Wegen seiner internationalen Thematik dürfte der Film auch im Ausland auf Interesse stoßen“, kommentiert die Regisseurin ihren Film im Presseheft. Was juckt’s schließlich die Ware, dass sie Mobilitätsprivilegien genießt, von denen Menschen nur träumen können.

THOMAS GROH

■ „Die Farbe des Ozeans“. Von Maggie Peren. Mit Sabine Timoteo, Hubert Koundé, u. a. Spanien/Deutschland 2011, 95 Min.