Streit um Raubtier mit dunkler Vergangenheit

Neue Diskussion in Steglitz-Zehlendorf um bezirkliche Erinnerungskultur: Die Taku-, Lans- und Iltisstraße, deren Namen auf die deutsche Kolonialgeschichte verweisen, sollen Infoschilder kriegen. Doch wie die aussehen, ist völlig offen

Nach dem parteipolitischen Gezänk um die Umbenennung der Treitschkestraße in Steglitz-Zehlendorf stehen dem Bezirk nun weitere Auseinandersetzungen im Umgang mit Straßennamen bevor. Die schwarz-grüne Mehrheit in der dortigen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) will das Bezirksamt veranlassen, Informationstafeln an gleich drei Straßen – der Taku-, Lans- und Iltisstraße nahe der Freien Univerität (FU) – aufzustellen. Die Bezirks-SPD dagegen fordert – wie am Beispiel des Antisemiten und Historikers Treitschke – die Umbenennung der Straßen.

„Die Bürger sollen über die Entstehung der Benennung und Bedeutung der Straßennamen aufgeklärt werden“, sagte die Mitinitiatorin der Erinnerungsmeilen, Christa Markl-Vieto (Grüne), zur taz. Die Schilder sollten zur „kritischen Auseinandersetzung“ mit den Namen und ihrer Herkunft anregen. Es müsse deutlich werden, dass es sich nicht um „harmlose“ Tier- oder Pflanzennamen handelte, sondern um Namen, die mit deutscher Kolonialgeschichte verbunden sind.

In der Tat verweisen Taku-, Lans- und Iltisstraße nicht auf Sushi-Varianten oder ein Raubtier, sondern sind in Erinnerung an die Eroberung des Taku-Forts in Südchina und die Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstandes 1900/1901 entstanden. Korvettenkapitän Lans steuerte damals das kaiserliche Kanonenboot „Iltis“, das mit anderen Schiffen eines internationalen Expeditionskorps die Taku-Festung samt chinesischen Widerständlern zusammenschoss.

1998 unternahmen die SPD im Bezirk und die FU einen Anlauf zur Umbenennung der Straßen, scheiterten aber am CDU-geführten Bezirksamt. Nun will die Zählgemeinschaft aus CDU und Grünen – ebenso wie bei der Treitschkestraße – zwar nicht die Umbenennung, aber doch neue Informationsschilder. Der Kultur- und Bau-Ausschuss soll im Juni darüber beraten.

Was auf den Schildern stehen soll, könnte aber auch zu Streit innerhalb von Schwarz-Grün führen. Während es CDU-Fraktionschef Marc Wesser wichtig ist, dass mit dem „politischen Zeichen“ die Bürger zur Beschäftigung mit ihrer Geschichte aufgefordert werden sollen, stellen die Grünen noch andere Fragen. Nach Ansicht von Markl-Vieto soll es auf den Infotafeln sowohl um Aufklärung als auch um eine kritische Reflexion des deutschen Imperialismus gehen. Außerdem ist nicht klar, wer die Texte auf den Schildern schreibt – der Bezirk, ein Ausschuss oder wer auch immer.

SPD-Fraktionschef Michael Karnetzki will erst einmal „am Grundsatz der Umbenennung festhalten“. So soll etwa die Takustraße den Namen des 1933 geflohenen Physik-Nobelpreisträgers James Frank tragen. Die schwarz-grünen Initiatoren des Antrags „müssen zunächst einmal klarmachen, was genau auf den Schildern draufsteht“, so Karnetzki. Seien allgemeine Informationen geplant, wäre das „natürlich zu wenig“. Es müsse auf jeden Fall „ein Teil der deutschen Kolonialgeschichte kritisch beleuchtet“ werden. Dann könne man vielleicht miteinander reden. ROLF LAUTENSCHLÄGER