Senat lernt Klimaschutz

Nach langem Schweigen ringen sich SPD und Linkspartei zu ehrgeizigen Klimaschutzzielen durch. Der CO2-Ausstoß soll bis 2050 um 80 Prozent sinken

Wenn das Land Geräte und Fahrzeuge anschafft, soll es in jedem Fall verbindlichen Ökokriterien folgen

Noch vor drei Wochen gab sich Umweltsenatorin Katrin Lompscher, als habe Berlin in Sachen Klimaschutz schon alles Nötige getan. Selbst die hoch gelobten Pläne New Yorks, befand die Linkspartei-Frau nach ihrer Reise zum Klimagipfel der Weltmetropolen, blieben hinter den Erfolgen Berlins zurück. Nun sieht das anders aus. Die SPD-Fraktion prescht mit einer ganzen Reihe ehrgeiziger Anträge zum Klimaschutz vor, am kommenden Dienstag wird ihnen voraussichtlich auch die Linkspartei zustimmen. Bereits kurz nach der Sommerpause soll das Abgeordnetenhaus sie verabschieden.

Am ambitioniertesten zeigt sich Rot-Rot beim Thema CO2. Bisher sieht die Senatslinie vor, die Emissionen bis 2010 um ein Viertel im Vergleich zum Stand von 1990 zurückfahren. Einer der sechs fast unterschriftsreifen Anträge sieht nun einen Rückgang um 40 Prozent bis 2020 vor, bis 2050 sogar um 80 Prozent.

Möglich machen soll das ein ganzes Maßnahmenpaket. So sollen bereits ab dem kommenden Jahr 20 Prozent des Stroms in landeseigenen oder vom Land genutzten Gebäuden aus erneuerbaren Energien stammen. Bislang sind es 10 Prozent. Atomstrom bleibt verboten.

Wenn das Land Geräte und Fahrzeuge anschafft, soll es in jedem Fall verbindlichen Ökokriterien folgen. Senat und BVG dürfen dann, wie oft gefordert, nur noch Autos oder Busse mit minimalem Spritverbrauch und modernster Abgastechnik beschaffen. Bei öffentlichen Ausschreibungen für Dienstleistungen sollen stärker als bisher auch ökologische Kriterien eine Rolle spielen, nicht nur das preisgünstigste Angebot.

Ein weiterer Antrag soll erreichen, mehr Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden zu errichten. Hingegen hapert es bislang bei der Förderung von Solaranlagen auf privaten Mietshäusern. Dem steht das Mietrecht entgegen – und das ist nicht Länder-, sondern Bundessache. „Einen Entwurf für eine Bundesratsinitiative, um das zu ändern, haben wir schon in der Tasche“, sagt der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Buchholz.

Bei einem Thema hakt es noch zwischen SPD und Linkspartei. Die Sozialdemokraten wollen das bislang in jeder sechsten Berliner Schule eingeführte Energiesparprogramm auf alle Schulen und Kitas ausweiten. Bei dem Programm hält der Senat Lehrer und Schüler dazu an, durch kleine Maßnahmen Energie zu sparen. Zum Lohn dürfen sie die Hälfte des eingesparten Geldes für ihre Schule behalten. Die Fraktion der Linkspartei will laut ihrer Sprecherin noch prüfen, wie viel der SPD-Plan die Landeskasse kosten könnte.

Bei diesen Vorhaben soll es nicht bleiben. „Den nächsten zwei Anträgen hat unsere Fraktion schon zugestimmt“, sagt SPD-Umweltpolitiker Buchholz. Der eine sehe striktere und genauere Vorgaben fürs Energiesparen in öffentlichen Gebäuden vor; der andere verbiete dem Land, Waren aus Tropenhölzern zu kaufen.

Über das überraschend starke Klimaengagement der Sozialdemokraten wundern sich die Grünen. Deren energiepolitischer Sprecher Michael Schäfer sieht voraus, dass die Regierungsfraktionen mit ihren Umweltschutzanträgen nicht weit kommen werden: „Erst wird sie das Abgeordnetenhaus beschließen, dann wird sie der Senat ignorieren.“ Von Umweltsenatorin Lompscher gebe es bis heute keine einzige entsprechende Initiative. Und falls der Energieriese Vattenfall tatsächlich ein neues Steinkohlekraftwerk in Berlin errichtet, urteilt Schäfer, sei das ehrgeizige Ziel der Kohlendioxideinsparung ohnehin „unerreichbar“.

MATTHIAS LOHRE