Ägyptischer Comedian Bassem Youssef: Sarkasmus, Kritik und ein Herzchirurg

Bassem Youssef war ein Star des Arabischen Frühlings und machte in den USA Karriere. Er kritisiert Israels Vorgehen in Gaza scharf. Jetzt kommt er nach Deutschland.

Ein Mann mit grauem Bart reißt die blauen Augen weit auf

Bassem Youssef in London am 4. April 24 Foto: Vianney Le Caer/Invision/ap

Kürzlich war Bassem Youssef bei der Starreporterin Christiane Amanpour auf CNN zu Gast. Er trug in der Sendung eine schwarze Jacke, deren Innenfutter das Muster eines Palästinensertuchs aufwies – ein plakativer Protest dagegen, dass alles Palästinensische im Westen derzeit schnell unter Terrorismusverdacht gestellt wird. Ob er damit auf der Straße schon angehalten worden sei, fragte ihn die TV-Moderatorin. „Noch nicht“, antwortete der Comedian mit breitem, strahlendem Lächeln. Aber nur, weil er es dort noch nicht getragen habe – und brach in schallendes Gelächter aus. „Ich teste es hier aus.“

Heikle und schmerzhafte Themen wegzulachen – das ist das Erfolgsrezept von Bassem Youssef. Der ägyptische Satiriker war mit seiner TV-Show ein Star des Arabischen Frühlings. Bekannt wurde der gelernte Herzchirurg durch satirische Kurzfilme, die er zu Hause produzierte und auf YouTube hochlud, in denen er sich über die staatliche Propaganda lustig machte. Diese stellte die Demonstranten allesamt als Drogensüchtige, Perverse und Islamisten dar.

Nach dem Sturz Husni Mubaraks im Januar 2011 nahm ihn ein Privatsender unter Vertrag, bei dem er eine eigene Sendung erhielt, die sich „Al-Bernameg“ („das Programm“) nannte und an die TV-Shows von Steve Colbert und The Daily Show in den USA erinnerte. Mit dem Auftreten eines seriösen Nachrichtensprechers machte er sich über alles und jeden lustig: den ehemaligen Präsidenten, das Militär, das staatliche Fernsehen, die islamistische Opposition und deren Fernsehprediger. Damit erreichte Youssef im Schnitt über 40 Millionen Zuschauer und stieg zum größten Star des ägyptischen Fernsehens auf.

In der kurzen Regierungszeit der Muslimbrüder kam er mit seinem Humor noch einigermaßen durch. Diese versuchte ihn zwar wegen angeblicher Beleidigung des Islams und des Präsidenten Mohammed Mursi anzuklagen, doch davon ließ er sich nicht einschüchtern. Zu einem Termin bei der Staatsanwaltschaft erschien er mit einem albernen, überdimensionierten Hut, wie ihn Mursi auf einer Auslandsreise getragen hatte, und gab die Verfahren gegen ihn dem Spott preis.

Riskanter Humor

Doch nachdem das Militär in Kairo wieder die Macht ergriff, war Schluss mit lustig. Nach deren Quasicoup musste Youssef seine Heimat verlassen, denn der neue Präsident und Ex-General Abd al-Fattah as-Sisi verstand gar keinen Spaß mehr. In dem Dokumentarfilm „Tickling Giants“, der 2017 erschien, verarbeitete Youssef seine Erfahrungen in Ägypten im Kampf für die Meinungsfreiheit.

Seit 2014 lebt er in den USA, wo er als „ägyptischer Jon Stewart“ vorgestellt wurde. Wie andere Comedians geht er mit seinen Stand-up-Shows weltweit auf Tournee. Dieses Jahr wird er nach Deutschland kommen, nach Berlin, Hamburg und München. Über den Krieg in Gaza werde er dort aber nicht sprechen, verriet er Christiane Amanpour. „Ich kann nicht jeden Tag damit umgehen“, gab er zu.

Dabei hat er sich seit dem 7. Oktober 2023 als scharfer Kritiker der israelischen Kriegsführung in Gaza hervorgetan. Sein Schlagabtausch mit dem konservativen britischen Moderator Piers Morgan im vergangenen Jahr wurde weltweit über 22 Millionen Male angeklickt. Youssef verurteilte den Terror der Hamas dort mehrmals. „Ich kann hier auch einfach nur die Hamas verurteilen und nach Hause gehen“, sagte er dem Moderator, als der ihn immer wieder darauf ansprach, und sagte „Fuck Hamas“.

Leere Entschuldigungen

Er lobte die israelische Armee dafür, dass sie die Menschen warnt, bevor sie bombardiert, als „so süß“ und akzeptierte, dass eine unverhältnismäßige Reaktion Israels angemessen wäre. Die sei schon immer so gewesen – nur die Rate der getöteten Palästinenser im Vergleich zu getöteten Israelis habe sich geändert, stellte Youssef fest, und holte dazu ein Balkendiagramm mit den Opferzahlen hervor. 2014 habe die Rate von getöteten Israelis gegenüber getöteten Palästinensern noch bei 1 zu 27 gelegen. „Meine Frage ist nur: Was ist der aktuelle Kurs?“

Und er machte sich über die israelische Propaganda lustig, die alles auf menschliche Schutzschilde schiebe. Er könne das verstehen, sagte Youssef. Schließlich sei er selbst mit einer Palästinenserin verheiratet und habe viele Male versucht, sie umzubringen, aber ohne Erfolg, denn sie benütze die Kinder als menschliche Schutzschilde. „Ich kann sie nie ausschalten.“ Zugleich stellte er fest, dass die bisherigen Reaktionen das Problem nicht gelöst hätten. „Was wird die überraschende Wendung sein?“, fragte er den verdutzten Moderator. Seine Waffen sind Affirmation und Überspitzung. Doch sein Humor hat einen ernsten Kern.

Den westlichen Medien wirft er Einseitigkeit vor, Palästinenser würden dämonisiert als „menschliche Bestien, die in der Kanalisation leben und Babys köpfen“. Um einem Frieden näher zu kommen, müsse man zuerst die Wahrnehmung ändern. Wer den Konflikt auf einen Kampf von Gut gegen Böse reduziere, wie es die US-Konservative Nikki Haley tat, habe schon die Lösung parat: Das Böse könne man nur ausrotten.

Sarkasmus als Ausweg

Auch bei Amanpour sprach Youssef über den Krieg in Gaza und die Angehörigen seiner Frau, die nach Rafah geflohen sind und fürchten, jederzeit von einer israelischen Bombe getötet zu werden. „Aber es ist okay, denn Israel wird sich dafür entschuldigen“, sagt Youssef – so, wie es das im Fall der getöteten Mitarbeiter von World Central Kitchen getan habe. „So aufrichtig! Der Schmerz, den sie ertragen müssten.“ Ein Pressesprecher habe gar getwittert: „Schaut, zu was mich die Hamas gezwungen hat.“

Auch die weltweite Empörung, die der Fall hervorrief, sei „interessant“ angesichts vergleichbarer Fälle, von denen er einige aufzählte. Wenn Israel sich entscheide, den Feldzug zu beenden, werde es den Friedensnobelpreis erhalten, vermutete er – dafür, nicht noch mehr Palästinenser getötet zu haben.

Sarkasmus als einzige Möglichkeit, die aktuelle Situation mit halbwegs gesundem Verstand zu ertragen: Seine westlichen Gegenüber verwirrt Youssef damit oft. „Wie soll ich auf Sie reagieren“, fragte dann auch Christine Amanpour. „Ich möchte, dass Sie auf mich reagieren, als wären wir beide Bürger derselben Welt“, antwortete Youssef ernst. Youssef ist ein Versöhner.

Gerade erst hat er die Rechte an einem Buch über Mohammed Helmy gekauft, einen ägyptischen Arzt, der in der Nazizeit in Berlin lebte und dort rund 300 Juden vor dem Holocaust rettete. Das Buch stammt von dem deutschen Journalisten Ronen Steinke, Youssef will es verfilmen. Es spielt in Berlin. Am Donnerstag wird er dort auftreten.

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Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.

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