Kölner Silvesternacht 2015: Polizeichef zu Unrecht entlassen

Kölns Polizeipräsident konnte 2016 nur entlassen werden, weil er politischer Beamter war. Das sei unzulässig, so das Bundesverfassungs­gericht nun.

Auf diesem Bild vom 16. September 2015 nimmt Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers an einer Pressekonferenz in Köln teil.

Wolfang Albers wurde 2016 vom damaligen Innenminister Ralf Jäger (SPD) in den einstweiligen Ruhestand geschickt Foto: Oliver Berg/dpa

BERLIN taz | Die Entlassung des Kölner Polizeipräsdenten Wolfang Albers nach den Übergriffen der Silvesternacht 2015/16 war rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat die Einstufung der 18 Polizeipräsidenten Nordrhein-Westfalens als politische Beamte für nichtig erklärt. Damit fehlt die Rechtsgrundlage für die Versetzung Albers’ in den einstweiligen Ruhestand.

In der Silvesternacht 2015/16 kam es zu massiven sexuellen Übergriffen auf der Kölner Domplatte. Es gab mehr als 500 Strafanzeigen. Die Mehrheit der wenigen Tatverdächtigen, die ermittelt werden konnten, hatten eine ausländische Staatsbürgerschaft, meist aus Ländern Nordafrikas. Das löste eine bundesweite Debatte aus.

Massive Kritik gab es auch am Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers. Er habe in der Nacht die angebotene Verstärkung nicht genutzt, zunächst von einem „friedlichen“ Jahreswechsel berichtet und später die Herkunft der Täter verschleiert.

Nach einer Woche wurde Albers vom damaligen Innenminister Ralf Jäger (SPD) in den einstweiligen Ruhestand geschickt. Begründung: Man müsse das Vertrauen in die Kölner Polizei wieder herstellen. Möglich war dies, weil die 18 Polizeipräsidenten in großen NRW-Städten gesetzlich als „politische Beamte“ eingestuft sind und daher jederzeit entlassen werden können.

Klage gegen Rauswurf

Albers klagte gegen seinen Rauswurf. In zweiter Instanz setzte das Oberverwaltungsgericht Münster das Verfahren aus und legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht vor. Nun wurde die Karlsruher Antwort veröffentlicht. Die Einstufung der 18 NRW-Polizeipräsidenten als politische Beamte verstoße gegen das Grundgesetz und sei nichtig, erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Grundsätzlich gelte für Beamte nämlich die Einstellung auf Lebenszeit, das gehöre zu den im Grundgesetz geschützten „Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ und schütze die Unabhängigkeit der Beamten.

Politische Beamte, die leicht in den Ruhestand geschickt werden können, könne es nur auf Posten geben, bei denen die fortdauernde Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung und das „politische Vertrauen der Staatsführung“ erforderlich sind, so die Vorgabe aus Karlsruhe.

Für die 18 NRW-Polizeipräsidenten gelte das nicht, entschied das Gericht, weil ihre Aufgaben in den 27 NRW-Landkreisen von gewählten Landräten wahrgenommen werden, die oft sogar Oppositionsparteien angehören, also gerade nicht regierungsnah sind. Auch sei nicht ersichtlich, dass die 18 städtischen Polizeipräsidenten in die politische Beratung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens eingebunden sind.

Das OVG Münster wird nun wohl Albers’ Entlassung aufheben. Er könnte dann die entgangene Besoldung einklagen. Für eine Wiedereinstellung ist er mit 68 Jahren inzwischen zu alt.

Mit Interesse wird der Karlsruher Beschluss wohl in Thüringen analysiert. Dort hat das Thüringen-Projekt vorgeschlagen, den Landespolizeipräsidenten zum normalen Beamten zu machen, damit er nach einem AfD-Wahlsieg nicht einfach entlassen werden kann. Eine Pflicht zu dieser beamtenrechtlichen Umwandlung besteht aber auch nach dem Karlsruher Beschluss nicht. Denn der Thüringer Landespolizeipräsident ist deutlich regierungsnäher als die 18 lokalen Polizeipräsidenten in NRW und daher wohl zu Recht politischer Beamter.

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