Nachspiel zum Palästina-Kongress: Einreiseverbot gekippt

Der britisch-palästinensische Arzt Ghassan Abu Sittah durfte nicht in die EU einreisen. Das Verwaltungsgericht Potsdam erklärte dies für rechtswidrig.

Portrait von Ghassan Abu Sittah

Der britisch-palästinensische Chirurg Ghassan Abu Sittah in Beirut im Dezember 2023 Foto: ap, Hussein Malla

FREIBURG taz | Das Verwaltungsgericht Potsdam hat in einem Eilbeschluss das Schengen-Einreiseverbot für den britisch-palästinensischen Arzt und Wissenschaftler Ghassan Abu Sittah gekippt. Die Entscheidung hat EU-weite Bedeutung.

Ghassan Abu Sittah ist ein britisch-palästinensischer Chirurg und Rektor der staatlichen University of Glasgow. Im Oktober und November 2023 hielt er sich mit der Organisation Ärzte ohne Grenzen in Gaza auf und versuchte, in zwei Krankenhäusern medizinische Hilfe zu leisten.

Über seine dortigen Erfahrungen sollte er Mitte April auf dem später von der Polizei aufgelösten Palästina-Kongress in Berlin sprechen. Doch ihm wurde schon auf dem Berliner Flughafen die Einreise verwehrt. Er musste nach London zurückfliegen.

Anfang Mai wurde ihm auch die Einreise nach Frankreich verweigert, wo er auf Einladung der französischen Grünen im Senat über seine Erfahrungen in Gaza sprechen sollte. Die französischen Behörden teilten ihm mit, dass ein von deutschen Behörden verhängtes Einreiseverbot für den ganzen Schengen-Raum bestehe. Das Schengen-Gebiet besteht aus den meisten EU-Staaten plus Norwegen, Island und der Schweiz.

Aufgrund dieses Einreiseverbots hätte Ghassan Abu Sittah auch einer Einladung der palästinensischen Botschaft zu einem Vortrag in der niederländischen Hauptstadt Den Haag nicht nachkommen können.

Keine ausreichenden Belege

Deshalb beantragte Ghassan Abu Sittah beim Verwaltungsgericht (VG) Potsdam eine einstweilige Anordnung auf Löschung des Einreiseverbots aus dem Schengen-Informations-System (SIS). Das VG Potsdam ist zuständig, weil solche Einreiseverbote von der Bundespolizei verhängt werden und die Bundespolizei ihren Hauptsitz in Potsdam hat.

Das VG Potsdam gab nun dem Antrag von Ghassan Abu Sittah in vollem Umfang statt. In dem sechsseitigen Eilbeschluss, der der taz vorliegt, heißt es, dass die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung „unrechtmäßig“ erfolgt sein dürfte. Die Bundespolizei konnte nicht belegen, dass Abu Sittah eine „schwere Straftat“ begangen hat oder zu begehen plant.

Die Bundespolizei hatte auf Internet-Posts Abu Sittahs verwiesen, aus denen sie den Anfangsverdacht der Volksverhetzung und der Billigung von Straftaten ableite. Beide Delikte würden aber keine „schweren Straftaten“ darstellen, so das VG. Im Übrigen sieht das Gericht auch keine Gefahr, dass Ghassan Abu Sittah im Gebiet der Schengen-Staaten weitere derartige Posts absetzt. Der Inhalt der Posts wird in dem Gerichtsbeschluss nicht mitgeteilt.

Außerdem hatte die Bundespolizei geltend gemacht, dass Ghassan Abu Sittah über intensive Kontakte zu Mitgliedern der linken palästinensischen Terrororganisation PFLP verfüge. Die Bundespolizei konnte hierzu aber keine konkreten Belege präsentieren. Die Ankündigung der Bundespolizei, man werde noch einmal bei den anderen deutschen Sicherheitsbehörden nachfragen, wertete das VG so, dass „jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt keine konkreten Hinweise insoweit vorliegen“.

Der Eilbeschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Bundespolizei kann binnen zwei Wochen Beschwerde einlegen. Darüber würde dann das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheiden.

Wenn das Einreiseverbot beseitigt ist, kann Ghassan Abu Sittah wieder in alle EU-Staaten einreisen. Weitere Verfahren zu politisch motivierten Schengen-Einreiseverboten liegen dem bundesweit zuständigen VG Potsdam derzeit nicht vor.

Anhängig sind am VG Potsdam noch Verfahren zu den Einreiseverboten gegen den linken griechischen Ex-Minister Yanis Varoufakis und den österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner. Dort geht es aber um andere Rechtsgrundlagen, weil beide EU-Bürger sind und sie eigentlich EU-Freizügigkeit genießen.

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