Ausnahmeradler Tadej Pogačar beim Giro: Der freundliche Kannibale

Die schier übermenschlichen Leistungen des slowenischen Radprofis Tadej Pogačar werden fraglos hingenommen. Warum eigentlich?

Eine seiner leichtesten Übungen: Siegfahrer Tadej Pogačar beim Champagner-Köpfen.

Eine seiner leichtesten Übungen: Siegfahrer Tadej Pogačar beim Champagner-Köpfen

taz | BERLIN Eddy Merckx nannten sie früher den Kannibalen. Die oft chancenlose Konkurrenz kreierte diesen Beinamen im Gefühl der Vergeblichkeit ihres Tuns. Egal, welche Siegertorte serviert werden würde, der Belgier würde sie sich ohnehin in einem Happs einverleiben. Merckx gewann die großen Rundfahrten, viele Frühjahrsklassiker, die Weltmeisterschaft. Er war einfach besser als die anderen, oft sehr viel besser.

Auf dieser Traditionslinie radelt nun auch der Slowene Tadej Pogačar. Er scheint den Kannibalen sogar noch zu übertreffen, denn wo sich Merckx mit unbändiger Kraft und schierem Willen den Berg hochwuchtete, da fährt Pogi, wie seine Freunde das nette Bürschchen nennen, mit verblüffender Leichtigkeit entlang. Radfahren, auch über 260 Kilometer und endlose Serpentinen hinauf, ist bei ihm kein Extremsport, sondern vergnügliches Tourenfahren – so scheint es jedenfalls. Seine Dominanz ist gespenstisch, sein Potenzial offenbar grenzenlos.

Rosa Rakete

Der aktuell Führende beim Giro d’Italia griff neulich sogar im Finale einer Sprintetappe bei dieser Grand Tour an. Warum er sich an dieses No-Go heranwagte? Weil er es konnte und offenbar Lust darauf hatte, einfach mal 1.000 Watt auf die Pedale zu legen. Die Rivalen schauen sich das Spektakel staunend an – und anerkennen seine Überlegenheit: ein Jahrhunderttalent, sagen sie, ein Überfahrer. Ist halt so, ergänzen andere fatalistisch. Auch die Fans am Straßenrand scheinen keine weiteren Fragen zu haben.

Die Zeiten, als der sogenannte Verdacht noch mitfuhr und Spritzen zum Accessoire kritischer Radsportfreunde am Bordstein gehörten, sind vorbei. Der Radsport hat das Thema Doping beiseite geschoben, Medien und Öffentlichkeit folgen brav. Es wird nun viel über Ernährung, Intervalltraining und verbesserte Technik geredet, nicht mehr über medikamentöse Beeinflussung.

Aber selbst in einer der Hochphasen des Medikamentenmissbrauchs, in den 90er Jahren und der folgenden Dekade, wären Programm und Titelsammlung eines Tadej Pogačar beargwöhnt worden: Oberdoper Lance Armstrong arbeitete zumeist langsam auf den Höhepunkt, die Tour de France, hin, ließ in Vorbereitungsrennen anderen den Vortritt.

Wenn Pogačar antritt, muss zwingend mit einem Sieg des erst 25-Jährigen gerechnet werden. Der Slowene bringt sich nicht erst bei der Tour de Suisse oder der Dauphiné-Libéré-Rundfahrt in Form, nein, er ist nonstop und das ganze Jahr in absoluter Topverfassung.

Schnell mit Klobasa

Der freundliche Kannibale aus Klanec hat immerhin noch keinen positiven Dopingtest vorzuweisen, ganz anders als Eddy Merckx, der da einige Schnitzer auf seinem Kerbholz vorzuweisen hat. Merckx nahm nicht nur die damals wie heute beliebten Kortikosteroide ein, sondern auch den berüchtigten Pot belge – und anderes.

Die Erben Merckxens spritzten Epo, Wachstumshormon oder Plasmaexpander, aber zu denen gehört der Superduper-Radler Tadej Pogačar auf gar keinen Fall. Der Mann, der heuer zwei große Rundfahrten hintereinander gewinnen will, benutzt zum Antrieb nur das Allerfeinste aus der Heimatküche: Kranjska Klobasa, Kraški Pršut und köstlichen Štruklji.

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