Angedrohter US-Waffenstopp für Israel: Ein überfälliger Schritt

Washington zieht das letzte Druckmittel, um eine Offensive in Rafah zu stoppen. Netanjahu steht vor der Wahl: US-Unterstützung oder seine Koalition.

Präsident Biden klettert in ein Flugzeug, flankiert von zwei Soldaten

Zeigt seinem engsten Verbündeten im Nahen Osten die kalte Schulter: Präsident Biden Foto: Evan Vucci/ap

Der Schritt des US-Präsidenten Joe Biden war überfällig: keine Lieferung von Angriffswaffen mehr an Israel, wenn das Land an der Offensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens festhält, in der über eine Million Menschen aus den – weitgehend zerstörten – anderen Gebieten Zuflucht gefunden haben.

Nach dem grausamen Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres hatte die US-Regierung das einzig Richtige getan, obwohl das Verhältnis zwischen Biden und der in Teilen rechtsextremen Regierungskoalition von Is­raels Premier Benjamin Netanjahu seit deren Amtsantritt mehr als kühl war: Biden erklärte Israel seine volle Solidarität und bekräftigte Israels Recht auf Selbstverteidigung.

Gleichzeitig aber warnte er vor einer militärischen Überreaktion, die Israel langfristig mehr schaden als nutzen werde. Als Beispiel verwies er auf die Reaktion der USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und den anschließenden „Krieg gegen den Terror“. Ins gleiche Horn stießen auch US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin, die ein ums andere Mal in deutlichen Worten zur Schonung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen mahnten.

Schon lange bevor an US-Unis Studierende Protestcamps errichteten und der linke Senator Bernie Sanders im Kongress eine Kampagne der progressiven Kräfte für ein Ende der Waffenlieferungen initiierte, äußerte sich die US-Regierung also sehr deutlich ihrem engsten Verbündeten im Nahen Osten gegenüber. Nur: An der israelischen Kriegsführung änderte das nichts, die Lage der Menschen im Gazastreifen verschlechterte sich zusehends – und die USA lieferten weiterhin Waffen, schirmten Israel im UN-Sicherheitsrat mit ihrer Vetomacht gegen Kritik ab und übernahmen Israels Verteidigung gegen Südafrikas „Völkermord“-Klage vor dem Internationalen Gerichtshof. Die Mahnungen blieben also zahnlos.

Stoppt Israel die Offensive, zerbricht die Koalition

Jetzt geht US-Präsident Biden den Schritt, die Lieferung von Bomben zurückzuhalten und den Stopp der Lieferung von Angriffswaffen anzudrohen, sollte die Netanjahu-Regierung an ihren Plänen für eine Großoffensive in Rafah festhalten. Im Wahljahr kann es sich Biden nicht leisten, den progressiven Flügel seiner Partei zu verlieren – international stehen die USA als Heuchler da, wenn sie einerseits in der Auseinandersetzung mit Staaten wie Russland, Iran und China auf dem Völkerrecht beharren, dessen Verletzungen durch Israel aber stillschweigend hinnehmen.

Bereits Ende März hatte die Biden-Regierung erstmals eine Resolution im Sicherheitsrat passieren lassen, die einen sofortigen Waffenstillstand forderte. Auch das wurde aber von Israel ignoriert. Jetzt sah Washington offenbar den Punkt gekommen, an dem das letzte Druckmittel gezogen werden musste. Zu befürchten ist: Es wird nicht helfen. Stoppt Israel die Offensive auf Rafah, zerbricht die Koalition in Israel. Gibt es Neuwahlen, ist Netanjahu weg vom Fenster. Das wäre zwar wünschenswert – aber er wird alles tun, um das zu verhindern.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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