Gemeinderat für Fabrikerweiterung: Tesla siegt, Demokratie verliert

Niederlage für die Tesla-Gegner: Der Gemeinderat von Grünheide votiert trotz Protesten und Volksabstimmung für eine größere Elektroautofabrik.

Ein Teilnehmer einer Bündnisinitiative protestiert vor der Müggelspreehalle in Hangelsberg während der Gemeinderatssitzung

Bürgerprotest während der Gemeinderatssitzung Foto: Patrick Pleul/dpa

GRÜNHEIDE taz | Dass das Votum so deutlich sein würde, war nicht abzusehen. Doch dann stimmten nach zwei Stunden Diskussion elf Ver­tre­te­r*in­nen im Gemeinderat von Grünheide für den neuen Bebauungsplan, sechs dagegen, zwei enthielten sich.

Damit hat der US-Autobauer Tesla seit Donnerstagabend die Erlaubnis, sein Werk im Südosten von Berlin noch einmal um 118 Hektar zu erweitern und einen Güterbahnhof und Logistikanlagen zu bauen. Dafür sollen weitere rund 50 Hektar Wald gerodet werden.

Ursprünglich hatte Tesla geplant, sein 300 Hektar großes Betriebsgelände um weitere 110 Hektar nach Osten hin zu erweitern und dafür weitere 100 Hektar Wald im Landschaftsschutzgebiet zu roden. Aber das hatte zu massiven Protesten geführt.

Zuletzt war der Widerstand gegen die Erweiterung der Elektroautofabrik, die zum Großteil im Wasserschutzgebiet liegt, immer stärker geworden. Im Februar noch hatten sich über 60 Prozent der Bür­ge­r*in­nen der Gemeinde Grünheide in einer nicht bindenden Abstimmung gegen die Erweiterung ausgesprochen. Erst vor einer Woche fand eine Protestdemo mit bis zu 2.000 Menschen gegen Tesla statt.

Werkskindergarten und Logistikflächen fallen weg

Zur Abstimmung kam nun ein geänderter Bebauungsplan: Während der Güterbahnhof weiterhin auf dem Gelände entstehen kann, fallen Werkskindergarten und einige Lagerflächen weg.

Es sollte eine turbulente Gemeinderatssitzung werden. Am Nachmittag hatte das Protestbündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ noch mit etwa 40 Personen vor der Müggelspreehalle, dem Ort der Gemeinderatssitzung im Grünheider Ortsteil Hangelsberg, demonstriert. Der Saal in der von Polizei und Security bewachten Veranstaltung war randvoll, die Stimmung angespannt. Ortsvorsteherin und Sitzungsleiterin Pamela Eichmann (SPD) hatte oftmals Mühe, die zahlreichen Zwischenrufe, Beifall und Unmutsbekundungen unter Kontrolle zu bringen.

Zwar regte Thomas Wötzel vom Bürgerbündnis eine erneute Einwohnerbefragung über den abgeänderten Bebauungsplan an. Dies wurde jedoch trotz viel Beifall im Publikum von den Ge­mein­de­ver­tre­te­r*in­nen abgelehnt. Neben dem überparteilichen Bürgerbündnis, das sich klar gegen rechts abgrenzt, und einzelnen Ratsmitgliedern lehnte auch die AfD-Fraktion den Bebauungsplan ab.

Von den An­woh­ne­r*in­nen im Publikum schien die Mehrzahl gegen die Annahme des „B-Plans“ zu sein, es gab aber auch nicht wenige Befürworter*innen. Auch Tesla war mit einigen Ver­tre­te­r*in­nen rund um Manager Alexander Riederer vertreten, optisch verstärkt durch einen bulligen Security-Mann. Auch ein Sprecher der Landesregierung sowie Bahn-Projektleiter Peter Schulze waren anwesend.

Fangschleuse „nicht der Nabel der Welt“.

Im Publikum wurde der Vorwurf laut, Tesla und die DB hätten gedroht, die Bahnhöfe Fangschleuse und Hangelsberg zu schließen, sollte die Genehmigung nicht kommen. Peter Schulze versuchte diese Gerüchte zu zerstreuen, und zwar ausgerechnet mit dem Argument, diese beiden Bahnhöfe seien „nicht der Nabel der Welt“. In einer früheren Planung schien ein Güterbahnhof an anderer Stelle noch möglich, jetzt aber nicht mehr.

Der Güterbahnhof müsse nun in Abstimmung mit der DB realisiert werden, man brauche Planungssicherheit, sagte Tesla-Mann Riederer. Er versprach, den Verkehr „mittel- bis langfristig“ auf die Schiene zu legen. „Verräter“, murmelte jemand, „so werden wir über den Tisch gezogen“, rief ein anderer. „Ich möchte Sie um Ruhe bewahren“, verhaspelte sich Frau Eichmann. Die Szenerie erinnerte an die Buchverfilmung von „Unter Leuten“.

Mit dem Votum für den Bebauungsplan Nr. 60 habe die Gemeinde den Weg für den Infrastrukturausbau in Grünheide freigemacht, zeigte sich Tesla nachher erfreut. „Der nun beschlossene Bebauungsplan geht in zentralen Punkten auf die Bedenken aus der Gemeinde ein“, so ein Tesla-Sprecher. „So werden mit der geänderten Planung mehr als 70 Hektar Wald erhalten, darunter auch der überwiegende Teil der besonders erhaltenswerten Flächen. Vor allem ermöglicht der Bebauungsplan nun den weiteren Ausbau einer nachhaltigen und umweltfreundlichen öffentlichen Infrastruktur. Damit kann der Lkw-Verkehr in der Region reduziert werden.“

„Das ist ein herber Schlag für den Wasserschutz und die Demokratie“, urteilte hingegen Karolina Drzewo, Pressesprecherin von „Tesla den Hahn abdrehen“. „Die Mehrheit der Menschen in Grünheide hat gegen die Erweiterung gestimmt. Die Mehrheit der Ortsbeiräte hat gegen die Erweiterung gestimmt, und dennoch hat die Gemeindevertretung jetzt wahrscheinlich durch den massiven Druck des Konzerns Tesla und der Bundes- und der Landesregierung gegen das Votum der Bür­ge­r*in­nen hier gestimmt.“

„Schaden für die Gemeinde“

Es sei „gefährlich in einer Region mit Politikverdrossenheit, dass der Mehrheit der Menschen nicht zugehört wurde“, ergänzte sie. Das Bündnis hat angekündigt, den Protest für Wasserschutz und gegen die Erweiterung der Autofabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet fortsetzen zu wollen. Auch die Aktivisten im Protestcamp nahe der Tesla-Fabrik in Grünheide stellen sich auf einen längeren Aufenthalt ein. „Wir bleiben vielleicht über den Sommer hinweg“, sagte eine Sprecherin der Initiative „Tesla stoppen“ am Freitagmorgen. Aktuell beratschlage man über das weitere Vorgehen. Eine Verlängerung der Versammlung über den 20. Mai hinaus sei schon beantragt worden.

„Das Votum hat mich nicht überrascht“, sagte Marten Lange-Siebenthaler vom Bürgerbündnis. Er geht davon aus, dass alles bereits vorher ausgezählt war. „Aber der Schaden ist da, für die Gemeinde und natürlich auch für die Demokratie“, so Lange-Siebenthaler mit Verweis darauf, dass die Bür­ge­r*in­nen die Pläne zuvor mehrheitlich abgelehnt hatten. „Die Gesellschaft ist zunehmend polarisiert, und wenn wir dann solche Entscheidungen haben, die den Bürgerwillen nicht ausreichend berücksichtigen, erweisen wir der Demokratie einen Bärendienst. Und das äußert sich in der Regel dann in den Wahlergebnissen.“

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