piwik no script img

Reflexion zum taz lab 2024 Privilegien eines alten taz-Mannes

Die taz als Generationenbrücke: sie trägt gerade in digitalen Zeiten so gut wie nie: ein Lob den Jungen von einem Cis-Mann reiferen Alters.

Generationenprojekt: das Team des taz-Kongresses 2024 beim Fototermin im Januar 2024 Foto: Anke Peters

Aus der taz | Wenn dieser Text zum 16. taz lab am 27.04.2024 erscheint, habe ich die allermeisten meiner Berufsjahre in der taz verbracht. Sie begannen 1984 in der taz Hamburg und setzen sich seit 1996 in der Berliner Zentrale unseres Unternehmens fort.

Meinungsredaktion, Inlandsressort, Aufbau der Wochenendbeilage taz.mag seit 1997 bis 2009, seither dieses & jenes, viele Texte besonders für die inzwischen als wochentaz bekannte Samstagsausgabe, taz lab sowieso, mit der Coronapandemie Beginn der taz Talks: Das heißt dann Redakteur für besondere Aufgaben.

Und das bedeutet natürlich auch, ganz im Sinne unserer offiziellen Selbstdarstellung, Journalismus, überhaupt publizistische Arbeit in einem konzernunabhängigen Haus. Das heißt nämlich auch irgendwie, und zwar für alle in der Redaktion, die Mitte zu finden zwischen Mainstream und Underground, zwischen dem Üblichen und dem Sinn für die Feinheiten alternativer und linker Undergrounds.

Die taz insgesamt genießt den Vorzug beim journalistischen Nachwuchs, dass dieser zuverlässig alle Impulse, die akademisch gerade so modisch sind, in die Redaktionsarbeit einfließen:

Antirassismus, Diversity, Woke, Queer oder Postcolonial – die Stichworte mögen reichen, um zu beschreiben, dass die taz als erstes relevantes Medium im deutschsprachigen Bereich, allein schon durch ihre Praktis und Volos, Zuflüsse mit den angesagten „Klingeltönen“ der Jüngeren und Jungen bekommt: Queer und Woke sind inzwischen gängige Vokabeln bis zum regio­nalsten Blatt geworden.

Streitkultur in der taz

Es waren in dieser Hinsicht auch immer anstrengende Zeiten für mich. Mit hitzigen internen Debatten, mit Verwerfungen, Freundschaftsbrüchen, Debatten um Gatekeeper und Kritik an allen möglichen Personen und Verhältnissen. Mein eigener kultureller Fundus, eine starke Neigung zum Populärkulturellen und Desinteresse an zwar gewiss wichtigen, aber nur in Mikroszenen relevanten Musiken, außerdem zu vergangenheitspolitischen Fragen nicht nur deutscher Provenienz, hat mir, etlichen Kolleginnen* aus meiner Generation auch, oft den klassischen Vorwurf eingetragen:

Nämlich privilegiert zu sein, ich selbst als weißer Cis-Mann, das heißt als männliches Wesen, das die esoterisch anmutende Behauptung, es gäbe mehr als zwei biologische Geschlechter, eher zurückweist.

Privilegien also, um die geht’s. Der Hinweis meinerseits, dass auch in der taz homophobe Bewusstseinsformen und alltägliche Praxen vorkämen, nützte mir meist nichts – falls hier überhaupt von Nützlichkeit gesprochen werden kann.

Weiß ist weiß, und eine Existenz als Cis-Person offenbar per se verdächtig, jedenfalls für manche. Die taz, mit anderen Worten, hat die Kämpfe um Identitätspolitik selbst bis ins Persönlichste hinein ausgetragen – und mit ein wenig Abstand ließe sich sagen: Wie hätte es anders sein können?

Ein früherer Kollege, der jetzt als stellvertretender Chefredakteur bei der Welt arbeitet, wurde mal gefragt, wie denn die Welt-Redaktion dieses Problem sähe – ich hab vergessen, um was es ging. Der wie immer freundliche Kollege antwortete: „Die Welt gibt es so nicht, da interessieren sich nicht alle immer für alles.“

Und das ist bei uns anders: Alle nehmen Anteil, teils eben leidenschaftlich, auf jeden Fall immer zur Meinungsbekundung bereit. Die taz diskutiert immer fürs Ganze: Und das ist eine bürgerliche Tugend, wie es einem linksbürgerlichen Blatt geziemt. Das Reden über die Dinge der allgemeinen Lage: Es geschieht hier gemeinsam.

Abgewöhnte Illusionen

Aber zurück zu den Privilegien: Ich habe welche, und die halte ich jetzt nicht mehr privat. (Die ersten taz-Menschen 1978/79 hatten Zeitzeugenberichten zufolge ein Verständnis, dass Privates und Berufliches eigentlich das Gleiche seien …) Ich profitiere seit gefühlt 15 Jahren davon, fast ausschließlich mit wesentlich jüngeren Kolleginnen und Kollegen zu kooperieren. Abgesehen von mir beträgt das Durchschnittsalter aller taz lab-Brigadistas ca. 24 Jahre. Faktisch: meine Enkel. Über die Jahre habe ich mir die Illusion abgewöhnt, ich wäre Teil ihrer Unterhaltungen: Sie haben ihre Themen, solche des Aufwachsens, der Berufs- und Lebensstilsuche, Familie oder nicht, Kinder oder keine Kinder.

Andererseits kooperieren wir eben, müssen und wollen es – und so komme ich in die Gunst, wenigstens deren Sprache zu hören, mir nicht geläufige Worte. Ist doch egal, dass sie mit einem Namen wie Willy Brandt nichts mehr anfangen können, Helmut Kohl ist eine fahle Erinnerung, aber auch keine exakte:

„War das nicht der … ach, keine Ahnung, muss ich googlen!“ Dafür haben wir alten Cis-Männer in diesen Positio­nen die Chance, neue Worte zu hören und zu lernen, sehr oft englisch versetzte: cool, um nur das geläufigste Wort unter vielen zu nennen.

Lob den Jungen

Die taz feiert ihren 45. Geburtstag: Und die Generationenmischung stimmt, endlich. Man kann voneinander profitieren, die Generationen. Wahr ist jedoch vor allem, dass in die taz in den vergangenen Jahren viele sehr wunderbare junge bis sehr junge Kolleginnen* zu uns kamen.

Und oft bleiben, nicht nur, um sich für andere Medien durchlaufzuerhitzen. Sie arbeiten professionell und smart, sie sind das beste Geschenk, das die taz an sich selbst wahrnehmen kann als das, was sie inzwischen auszeichnet: ein Haufen an einem superguten Produkt arbeitender Kolleginnen* zwischen 19 und nahezu 67 Lebensjahren.

Herzlichen Glückwunsch uns, aber hier besonders dem taz lab-Team, das ein fettes Projekt schaukelt, von dem sie selbst nicht wussten, ob sie es stemmen könnten. Sie können: Und das ist auch kein Wunder so.