: ...wer im Glashaus sitzt
■ Tropenhaus in Planten un Blomen seit April geschlossen / Kann Loki helfen? Von Wolfgang Brotzler
Es fing ganz harmlos an. Im tropischen Gewächshaus in Planten un Blomen war eine gesprungene Scheibe auszuwechseln. Das war im April. Seitdem ist das 1963 eingeweihte Glasgebäude fürs Publikum geschlossen. „Die Schaugewächshäuser müssen bis zur Klärung ihrer statischen Sicherheit leider geschlossen bleiben“, informiert auf einem Schild an der geschlossenen Tür „Ihre Gartenverwaltung“.
Träger des Tropenhauses ist das Botanische Institut der Universität. Dessen geschäftsführender Direktor, Prof. Wolfgang Abel, hat die Schließung verfügt. Es seien „Glasplatten heruntergefallen“, für die Bauerhaltung sei im übrigen die Baubehörde zuständig. Die sei mit einem Gutachten zur Sicherheit des Hauses seit über einem Jahr in Verzug. Bei Begehungen hätten Experten jedoch außer Roststellen, die zudem „oberflächlich und deshalb unbedenklich“ seien, nichts gefunden. Gleichwohl solle noch eine „Endoskopie der Hohlstützen“ durch die Abteilung H II E der Baubehörde durchgeführt werden.
Von der Qualität der Inspektionen der Baubehörde hat Professor Abel, Pflanzengenetiker von Beruf, keine gute Meinung. Sie seien „äußerlich“, und jedem sei es freigestellt, sich darunter das Entsprechende vorzustellen. Ihm geht es allein um die Haftungsfrage, also darum, wer womöglich durch herumschwirrende Glasplatten verletzte Pflanzenfreunde entschädigt. Da die Baubehörde diese Verantwortung nicht übernehmen will, wäre Abel dran. Deshalb bleibt das Tropenhaus zu.
Bernd Lohse, der Gärtnermeister, werkelt schon viele Jahre in der Botanik. Von größeren Sanierungsmaßnahmen seitens der Baubehörde am gut 30 Jahre alten Haus hat er noch nichts bemerkt. Er vermutet im Gezerre zwischen Uni-Institut und Behörde Streit ums Geld. Auch habe es vor ein paar Jahren doch so „merkwürdige“ Pläne des Senats für das Gewächshaus gegeben. Von einem Café sei da die Rede gewesen, mit Whirlpools womöglich, um die Stadtfinanzen etwas aufzubessern.
Dagegen hat sich Professor Abel damals gesperrt. Denn das Tropenhaus ist unverzichtbar für die Studenten, die als künftige Biologielehrer oder Wissenschaftler wenigstens mal ansatzweise etwas über Regenwälder wissen sollten. Auch den allgemeinen Bildungsauftrag der Schulen gilt es zu unterstützen.
Momentan ist aber nichts mit Bildung im Tropenhaus. Die Glasscheibe ist zwar mittlerweile ersetzt, doch ein Statiker, im Auftrag der Baubehörde unterwegs, hat bei einer Exkursion im Gewächshaus bemerkt, daß Bäume mit Drähten an der Dachkonstruktion angebracht wurden. In einem Schreiben an „H 4/U (2-fach)“ in der Baubehörde kommt er zu dem Schluß, daß diese Rankhilfen, für Palmen etwa, „außerplanmäßige Zugkräfte“ verursachen, also „nicht zulässig sind und sofort entfernt werden müssen“. H 4/U seinerseits erwägt zur Zeit, ob „gegebenenfalls dafür spezielle Gerüste aufgestellt werden“ müssen.
Professor Abel will sich nun mit der Baubehörde „ins Benehmen setzen“, um die Frage der umherschwirrenden Glasplatten zu klären. Wann die tropische Flora denn nun wieder zu besichtigen sei, weiß er allerdings auch nicht.
Eine ebenso einflußreiche wie prominente Förderin der Botanik könnte vielleicht helfen. Des Altkanzlers Gattin Loki Schmidt ist Kuratorin des Instituts. Die studierte Biologin, die auch schon mit selbstgemalten Pflanzen in die Öffentlichkeit getreten ist, hat hin und wieder im wohlhabenden Bekanntenkreis ihres Gatten Spender für die Botaniker aufgetan, die für ihre Forschung auch Drittmittel brauchen.
Sie weilt jedoch, unerreichbar für die Schlichtung der laufenden botanischen Rankspiele, im Urlaub, mit Helmut, wie dessen Büro gerne Auskunft gibt.
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