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Archiv-Artikel

vorlauf Mit Petra Kelly auf Zeitreise

„Happiness is a Warm Gun“ (Mo., 23.50 Uhr, ZDF)

Die Mündung der Pistole zielt auf ihr Gesicht, ein Schuss fällt. Und danch hat Petra Kelly für den Rest des Films ein Loch im Kopf. Doch ihr „Leben“ selbst geht weiter – wiederauferstanden im Transitraum des Flughafens Zürich gilt ihr erstes Telefonat – Gert Bastian.

So furios und temporeich wie der Anfang von „Happiness is a Warm Gun“ ist auch Thomas Imbachs Zugriff auf die (fiktive) Geschichte der einstigen Grünen-Ikonen. Denn der Schweizer Regisseur erzählt die politisch-persönliche Vita des prominenten Paares als grandioses, mutiges Porträt mit unkonventioneller Bildsprache.

Atmosphärisch brillant lotet er zwischen den Gepäcklaufbändern und Abschieberäumen des Airports das Verhältnis zwischen der Pazifistin (Linda Olsansky) und dem ehemaligen Bundeswehrgeneral (Herbert Fritsch) aus, der vor genau zehn Jahren erst seine Lebensgefährtin und dann sich selbst erschoss.

Souverän mischt Imbach dabei die Zeitebenen, lässt authenti-sches Material in seine Zeitreise einfließen, die bis in die Gegenwart recht. Sie konfrontiert Kelly/Bastian mit den Ereignissen im Tschetschenienkrieg, mit der Situation von Asylbewerbern – und vor allem aber mit sich selbst: Ihrer obsessiven, neurotischen Beziehung, ihren Widersprüchen und Rollenzuschreibungen bis zur (V)Erklärung des von Bastian verursachten Todes.

Das Resultat ist visuell und konzeptionell ein außergewöhnliches Experiment, das filmisch aufgeht, weil hier jenseits profaner Deutungen zwei pointierte Egomanen nahe gebracht werden, ohne ihnen ihre Würde zu nehmen. Imbach vertraut in der Koproduktion des Schweizer Fernsehens DRS mit dem ZDF dabei klug auf die Stärke der Bilder, und vor allem seiner Hauptdarsteller: Als gelernte Theaterschauspieler sind Linda Olsansky und Herbert Fritsch in ihren Rollen exzellent besetzt. In ihren Gesichtern, Gesten und Körpern spiegelt sich trefflich fragile Zärtlich- wie hektische Betriebsamkeit. Bis in die Musikauswahl von Bob Dylan über Piazzolla zu Rammstein wird so eine nervöse, fahrige und obsessive Atmosphäre rekonstruiert, die am Ende eine menschliche Tragödie nachvollziehbar macht. Wenn auch nicht verständlicher. RAINER BRAUN