müllers schnuffi oder r2d2:
von FANNY MÜLLER
Neulich in der Reha in der Gedächtnisgruppe. Wieso ich da reinkam, weiß ich auch nicht. Mein Gedächtnis ist ausgezeichnet. Ich sage zwar immer: „Der Dings in der Dingsbumsvorabendserie ...“, aber alle meine Bekannten versichern, dass es ihnen genauso geht. Jedenfalls ist in der Gedächtnisgruppe neulich einer eingeschlafen, weil wir alle sehr intensiv an unsere PIN-Nummern gedacht haben, jedenfalls an die, die sie uns zum Auswendiglernen gegeben hatten. Das heißt, ich dachte daran, ob ich nachher mit der S-Bahn lieber zum Hauptbahnhof oder doch lieber bis zur Sternschanze ... und meine Nachbarin dachte daran – ich habe sie nachher gefragt –, wie sie den ersten und den zweiten Stock in der Reha auseinander halten kann, weil sie nie weiß, ob sie sich jetzt in der ersten oder zweiten Etage befindet. Ich sagte ihr dann, dass der erste Stock PVC hat und der zweite Teppichboden. Ihr Problem ist, wie sie P mit dem ersten und T mit dem zweiten Stock zusammenbringen kann. Meinem Vorschlag, die Angelegenheit P1T2 zu nennen, hielt sie entgegen, dass sie ja ebenso gut auch P2T1 sagen könnte. Das ist wahr. Allerdings habe ich davon Abstand genommen, „R2D2“ in die Debatte zu werfen. Das hätte sie völlig durcheinandergebracht.
Herr Dings, also wie heißt er mal noch ... Herr P.!, ist allerdings ein Problem. Er ist immer guter Laune und quatscht und quatscht. Das liegt daran, dass er Bauunternehmer ist und ihm nie jemand mal die Wahrheit sagt. In der Reha ist man ja erst mal niemand, da hilft es, wenn man mal ein Wörtchen fallen lässt. Herr P.: „Neulich, als ich mit Bernhard Langer in Thailand zu einem Golfturnier war ...“ Ich sah Herrn T. mit glasigen Augen an, als würde ich nur Bahnhof verstehen. Langer! Mit dem würde ich ja noch nicht mal in der gleichen Stadt wohnen wollen. Dass Uwe Seeler hier wohnt, reicht mir schon. Danach gingen wir dann alle in die Computergruppe. Da sollte ich sagen, welche Figur nach einem Dreieck, einem Kreis und einem Viereck kommen musste. Gott ja, ein bisschen komplizierter war’s schon, aber nicht viel. So was konnte ich aber noch nie und hatte gleich schlechte Karten. Anschließend zeigten sie mir eine (angebliche!) Zeitungsnotiz, in der stand, dass Schnuffi, der Hund von Familie Müller, krank wäre und der Tierarzt Dr. Meier ihm dreimal am Tag was zum Trinken gäbe und nach vier Tagen wäre er wieder gesund gewesen. Die Fragen: Wie hieß die Familie, wie der Hund, wie der Tierarzt, wie oft soll er was einnehmen und wann wurde er wieder gesund.
Ich bitte Sie! Solche Artikel lese ich nie! Müller konnte ich mir ja gerade noch merken, genauso wie ich mir gerade eben Müller-Westernhagen merken kann, aber wie die blöde Katze jetzt wieder heißt ...
Hinterher sagte ich, sehr erschöpft, zum Taxifahrer, ich möchte zu meiner Bekannten in die Dingsstraße. „Hamwer nich!“, sagt er. Nachdem er einige Zeit auf seinem Steuerrad herumgetrommelt hatte, sagte ich, er solle mich zur Kellinghusenstraße fahren, die fiel mir irgendwie ein. Von da aus musste ich noch ziemlich lange laufen. Soll ja sehr gesund sein.
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