kammerphilharmonie : utes kritik
Streckenweise meinte ich, nicht in einem Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie zu sein. So spannungslos, geheimnislos, farblos wühlte sich unter der Leitung von Paavo Järvi Ludwig van Beethovens erster Satz der neunten Sinfonie vorwärts. Erst in der Reprise gerieten die Explosionen grandios, klangen aber so isoliert und nicht eingebettet in einen interpretatorischen Ansatz.
Vielleicht waren die Umstände für das Konzert innerhalb des Musikfestes nicht günstig: Übererwartung von allen, von den SpielerInnen ebenso wie vom Publikum. Gott sei Dank blieb es nicht so, und insgesamt konnte die Aufführung besonders durch den letzten Satz wenn auch nicht zu einem Ereignis werden, aber doch ordentlich zu Ende gebracht. Und das will beim Anspruch dieses gewaltigen Werkes schon etwas heißen. An die Musikfestwiedergaben dieser Sinfonie durch John Eliot Gardiner und Frans Brüggen reicht diese Wiedergabe nicht heran.
Mit höchster Aufmerksamkeit und Virtuosität peitschte das Scherzo im richtigen Tempo daher: es ist wie immer äußerst stark bei Järvi, wie er in dem ganzen Gewühle immer noch einen exakt wirkenden Kontakt zu einzelnen pflegt, meist über die äußerst differenzierte Gestik der linken Hand. Nach einem zufriedenstellenden, aber nicht begeisternden langsamen Satz holte Järvi im Schlusssatz dann alles ihm mögliche heraus, was dieses Werk so bedeutend macht: das bedrohliche „Orchesterchaos“ des Anfangs, die Triangel-lastige Revolutionsmusik, die Reminiszenzen an die vergangenen Sätze, utopischen Apelle an die Brüderschaft aller Menschen, an die 1785 Friedrich Schiller noch, Beethoven 1823 nicht mehr glaubte. Solisten und der Deutsche Kammerchor machten ihre Sache gut, mehr aber auch nicht.
Ute Schalz-Laurenze