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Archiv-Artikel

unterm strich

Unbekannte Täter haben eine Fotoinstallation des Künstlers Marcelo Brodsky am Fuß der Fackelträgersäule in Hannover zerstört. Mit den Bildern wollte der Argentinier zur Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Monument anregen, das 1936 zu den Olympischen Spielen in Berlin errichtet wurde. Die großformatigen Fotografien, auf denen Klassenkameraden des Künstlers zu sehen waren, die während der argentinischen Militärdiktatur verschwanden, wurden zerschlitzt. Ferner wurde eine Jalousie mit der Aufschrift „Nie wieder“ zerstört, die Brodsky über eine Steintafel mit Spuren eines Hakenkreuzes montiert hatte.

Der erste Kulturstaatsminister Michael Naumann hatte es sich als eines seiner ersten Anliegen auf die Fahnen geschrieben, NS-Raubkunst aufzuspüren, die auch 50 Jahre nach Kriegsende in Deutschland auf die Rückgabe an ihre rechtmäßigen Besitzer wartet. Doch das war leichter gesagt als getan: Jahrelang verhandelte der Bund mit Kommunen und Ländern, in deren Museen noch Raubkunst hängt. Jetzt will Naumanns Nachnachfolgerin Christina Weiss dessen Absicht in die Tat umsetzen: An diesem Montag tritt in Berlin eine Kommission zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen, die künftig das Aufspüren und die Rückgabe von NS-Raubkunst erleichtern soll. Das von der Bundesregierung beschlossene Gremium trägt den umständlichen Namen „Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“. Naumann appellierte damals an die großen Museen in Deutschland, ihre Bestände noch einmal genauestens zu überprüfen und dem Beispiel der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu folgen. Die Stiftung gab 1999 von den Nazis zwangsversteigerte Kunstwerke an ihre jüdischen Besitzer oder deren Erben zurück. Als es in den vergangenen Jahren aber zunehmend Probleme und Streitigkeiten über die Rechtsansprüche an den Kunstwerken gab, machte sich Naumanns Nachfolger Julian Nida-Rümelin für eine Schiedskommission stark. Doch Kommunen und Länder, in deren Museen die strittigen Kunstwerke hängen oder vermutet werden, taten sich lange schwer damit. Erst Christina Weiss einigte sich mit der Kultusministerkonferenz der Länder und den kommunalen Spitzenverbänden, sodass die Raubkunstkommission nun ihre Arbeit aufnehmen kann. Die seit einigen Jahren bestehende Internetdatenbank www.lostart.de soll als Anlaufstelle dienen. Sie verzeichnet über 40.000 Kunstgegenstände, die als vermisst gelten oder in bekannten Sammlungen mit „unklarer Herkunft“ hängen.