unterm strich :
Morgen beginnt das Theaterfestival in Avignon, und Thomas Ostermeier, Regisseur und Intendant der Schaubühne Berlin, hat eine Art Betriebsausflug Berliner Theaterschaffender dorthin organisiert. Die Leitung des Festivals hat Ostermeier als ersten Gastkurator eingeladen, und der, als hätte er heimlich einen Vertrag als Werbeträger für Berlin in der Tasche, stellte eine Art Best of Schaubühne, Volksbühne und assoziierten Künstlern zusammen. Berlin könnte stolz auf diese Vertretung mit neun Produktionen im Herzen der französischen Theaterrepublik sein, hätte Ostermeiers Strategie nicht den peinlichen Beigeschmack, vor allem Lobbyarbeit für sein Haus zu treiben.
Am Donnerstag wird er seinen Woyzeck im Ehrenhof des Papstpalastes vorführen, den er vor einer Kulisse aus tristen Plattenbauten inszeniert hat. Zudem zeigt er drei weitere Stücke, „Nora“ nach Ibsen, „Wunschkonzert“ von Franz Xaver Kroetz und „Disco Pigs“ von Enda Walsh. Schon lange ist Sasha Waltz ein beliebter Gast in Frankreich, und sicher wird dort ihre erste Choreografie zu romantischer Musik, den „Impromptus“ von Franz Schubert liebevoll aufgenommen. Mit Constanza Macras Tanzstück „Back to the present“ beginnt dann die Trash-Strecke, für die Berlin im Theater berühmt ist. Härter wird es dann mit Castorfs „Kokain“ und „Pablo in der Plusfiliale“ von René Pollesch, und wie das Publikum in Avignon darauf reagiert, wird spannend.
Letztes Jahr wurde das Festival erstmals in seiner Geschichte abgesagt, weil die französischen Künstler, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen sich durch ein Gesetz verschlechtert hatte, die Stadt als Plattform ihres Protestes nutzten. Solch eine ungewohnte Politisierung ist wohl dieses Jahr mit dem Import aus Berlin nicht zu erwarten.