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Archiv-Artikel

unterm strich

Den Booker-Preis, die bedeutendste britische Literatur-Auszeichnung, erhält dieses Jahr der Roman „The Line of Beauty“ von Alan Hollinghurst. Der Jury-Vorsitzende Chris Smith sprach von einer „unglaublich schwierigen Entscheidung“. Letztlich habe ein Buch gewonnen, das „aufregend ist, brillant geschrieben und tief unter die Haut der thatcheristischen 80er-Jahre geht“. Der mit umgerechnet 75.000 Euro dotierte Booker-Preis wird jedes Jahr für einen Roman aus den Commonwealth-Ländern oder aus Irland vergeben. „The Line of Beauty“ ist ein Stimmungsbild der 80er-Jahre, als Großbritannien von Margaret Thatcher von Grund auf umgekrempelt wurde. Während der Wiederaufstieg zur dynamischen Wirtschaftsmacht begann, verschärfte sich das soziale Klima. Mit diesem gesellschaftspolitischen Hintergrund verbindet Hollinghurst eine Schilderung der zunehmend selbstsicheren Londoner Schwulenszene, die mit einem Mal von der Aids-Epidemie erschüttert wird.

Hauptfigur des von der Jury auch als Tragikomödie beschriebenen Romans ist der junge Akademiker Nick Guest. Er zieht in das Haus eines ehrgeizigen Staatssekretärs und seiner Familie. Zunächst genießt er die aufregenden 80er in vollen Zügen, beginnt Beziehungen mit einem schwarzen Arbeiter und einem Multimillionär. Doch am Ende kommt der tiefe Sturz. Die Geschichte spiegelt nach Hollinghursts Worten seine eigene negative Sicht der Thatcher-Jahre: „Ich habe lange gebraucht, ehe ich die richtige Art, darüber zu schreiben, gefunden habe.“ Der 50 Jahre alte Hollinghurst, ein ehemaliger Kulturjournalist der Times und Richard-Wagner-Verehrer, veröffentlichte seinen ersten Roman 1988 („The Swimming-Pool Library“). Sein Roman „The Folding Star“ war 1994 bereits für den Booker-Preis nominiert.