unterm strich :
Der Londoner Schriftsteller Alan Hollinghurst erhält in diesem Jahr den Booker-Prize für seinen Roman „The Line of Beauty“ (siehe taz vom 21. 10.). Das Buch zeichnet ein Stimmungsbild der 80er-Jahre, als Großbritannien von Margaret Thatcher von Grund auf umgestaltet wurde. Vor diesem Hintergrund zeichnet Hollinghurst – der selbst schwul ist und daraus keinen Hehl macht – ein Porträt der Londoner Schwulenszene.
Nun beschwert sich der Hamburger Kleinverlag Männerschwarmskript. Nicht über Hollinghurst, sondern über einen Artikel, den der schwule Literaturkritiker Tilman Krause in der Welt verfasste. Krause betonte darin, dass Hollinghursts Homosexualität bei der Einschätzung des Werkes keine allzu große Rolle spielen solle. Und notierte außerdem: „Hollinghurst ist im Mai 50 geworden und lebt zurückgezogen im Londoner Stadtteil Hampstead. Seine Freunde fragen sich mitunter, woher er eigentlich die Kenntnisse von schwulen Lebensformen einschließlich der gerade bevorzugten Clubs und Drogen nimmt, die in seinen Büchern eine so große Rolle spiele. Aber man muss eben nicht in jede Pfütze springen, um zu wissen, wie sie stinkt.“ Nun stinken nicht nur Pfützen, auch der Selbsthass hat ein Geschmäckle. Zu Recht moniert der Hamburger Verlag, dass es der deutschen Literaturkritik an Sensibilität und Kenntnis fehle, wo es um schwule Autoren und Sujets geht (von lesbischen Autorinnen wiederum war nicht die Rede). Dumpf ist freilich beides: So zu tun, als spiele Homosexualität keine Rolle, genauso wie die identitätspolitische Vereinnahmung. Dass es anders geht, zeigt die US-amerikanische Filmkritikerin B. Ruby Rich: Sie kann ein spezifisches Wissen, eine spezifische Ästhetik vermitteln, ohne dem Zwang der Identität zu gehorchen.