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Archiv-Artikel

unterm strich

Und wo wir gerade bei Formulierungen sind, die der eisige Rudi-Dutschke-Straße-Wind schief gepustet hat: Eine volkstümliche Seele, wie sie gestern die Kollegen von der Welt in ihrem Text über den Rapper Kanye West und seine zehn Grammy-Nominierungen behaupteten, gibt es auch nicht; entweder Volksseele oder volkstümliche Kunst.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Kulturnachrichten der Ticker voll gestopft sind mit Berlinalien, gilt es doch festzuhalten, dass dieser ganze Promiquatsch unglaublich nervt. Es mag ja einmal Zeiten gegeben haben, da stand die Mauer noch und freute sich ganz Berlin, wenn ein Sonnenschein aus dem „Sunshine State“ die Berliner Tristesse vertreiben half: Mittlerweile ist Berlin aber Hauptstadt, fast jeden Monat hat ein Film mit entsprechendem Promiauflauf in Berlin Deutschland- oder Europapremiere. Und davon abgesehen, dreht Hollywood mittlerweile sogar regelmäßig Filme hier. Es ist nichts Besonderes mehr, wenn irgendeine Hollywoodnase sich hier zeigt! Lieber Tagesspiegel, liebes U-Bahn-Fernsehen: Es reicht. Euch interessiert es nicht – warum glaubt ihr, eure Leser würde es interessieren?

Doch es hilft alles nichts, wir müssen dranbleiben, die Tickerpflicht, Sie wissen schon: Also, die Zweigstelle der Associated Press in Berlin meldete gestern um 12 Uhr 55 in ihrer ersten Analyse besorgt: „Berlinale kommt nur schwer in Gang.“ Denn nach dem vermeintlich enttäuschenden Eröffnungsfilm hätte auch die US-Produktion „Thumbsucker“ nicht voll überzeugen können, sie sei weder spektakulär, lustig, tiefsinnig, geschweige denn überraschend. Ja, das sind so die Kriterien: spektakulär, lustig, tiefsinnig, überraschend. Mit anderen Worten: Das kracht alles nicht. Klar, dass dann auch der viel beschworene Glamour vollends den Bach runtergeht, wie man unter uns Metaphernschweinen so sagt, dass es dann der Drehort Berlin sein muss („Die Stadt hat die Hauptrolle“), der das Ding wieder rausreißt, der der Berlinale wieder an die Effekte fassen muss, wie man unter uns Metaphernschweinen auch gern mal sagt. Am Ende leuchtet Berlin eben am schönsten tief in Lichterfelde und Hohenschönhausen.