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Eine Synagoge bei Köln ist gestern im Rahmen einer Kunstaktion zur „Gaskammer“ geworden. Der international bekannte spanische Künstler Santiago Sierra leitete ab 11.00 Uhr die hochgiftigen Abgase aus den Auspuffrohren von sechs Autos in das frühere jüdische Bethaus von Pulheim-Stommeln. Mit seiner Arbeit wolle er „gegen die Banalisierung der Erinnerung an den Holocaust“ angehen, erklärte der 39-Jährige in einer schriftlichen Stellungnahme zu Beginn seines Projekts „245 Kubikmeter“.
Besucher können mit einer Atemschutzmaske und in Begleitung eines Feuerwehrmanns einzeln und für wenige Minuten den Synagogenraum mit seiner lebensgefährlichen Konzentration an Kohlenmonoxid betreten. Die Aktion soll an jedem Sonntag – außer am Ostersonntag – bis 30. April erneut stattfinden.
Mit zahlreichen drastischen Aktionen, die sich gegen Rassismus und Ausbeutung wandten, hat sich der aus Madrid stammende und in Mexiko-Stadt lebende Künstler bereits in den vergangenen Jahren in der Kunstszene einen Namen gemacht. So mauerte er auf der Biennale von Venedig den spanischen Pavillon zu, den nur Spanier nach Vorlage ihres Passes betreten durften, oder tätowierte jungen Arbeitslosen eine lange Linie auf den Rücken.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte die Kunstaktion scharf. Das Einleiten von Auspuffgasen in den ehemaligen jüdischen Betraum sei „eine Beleidigung der Opfer“, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, am Sonntag in Berlin. Die „niveaulose“ Aktion „geht über die Grenzen dessen, was angemessen ist, weit hinaus“. Er frage sich, warum die Opfer und nicht die Täter provoziert würden, sagte Kramer.