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Archiv-Artikel

unterm strich

Passend zu unseren theoretisch-technischen Überlegungen meldet uns heute dpa Wissenswertes über Moskaus Theater-Etikette. Zunächst: Das Moskauer Publikum ist sachkundig, interessiert, begeisterungsfähig – doch es folgt im Theater seinen ganz eigenen Regeln. Musik auf der Bühne ist auch noch kein Grund für Ruhe im Saal. Mit Erlöschen des Lichts versucht das Publikum, auf bessere Plätze vorzurücken: Man kann es ja mal versuchen. Tauchen im Halbdunkel die tatsächlichen Platzinhaber auf, beginnt eine Rücktauschaktion wie im Loriot-Sketch. Von der Bitte um Ausschalten der Handys fühlt sich ein richtiger Moskauer nicht angesprochen. Also klingelt es, und zwar die ganze Vorstellung hindurch. Als besonders vergesslich gilt das Publikum im schicken Internationalen Haus der Musik. Aber auch im Moskauer Künstlertheater MChaT haben Zuschauer in der zweiten Hälfte von Tschechows „Möwe“ schon 15 Anrufe gezählt.

Ob das mit der Etikette übereinstimmt? Die Kasseler Weltkunstschau documenta bekommt in diesem Sommer einen kleinen Mitbewerber in Hannover: Dort wollen drei Museen – das Sprengel Museum, die kestnergesellschaft und der Kunstverein Hannover – mit der Überblicksausstellung „Made in Germany“ junge in Deutschland arbeitende Künstler präsentieren und bewusst von der Magnetwirkung der documenta profitieren. „Ich freue mich, wenn die documenta andere in Bewegung setzt“, sagt documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld, der das Projekt in Hannover nicht als Konkurrenz sieht. Parallel zum Kasseler Kunstspektakel buhlen außerdem die „Skulptur Projekte Münster, die Kunstmesse Art Basel und die Biennale in Venedig in diesem Sommer um die Gunst der Kunstliebhaber. Wenn es mit der Ausstellung gelinge, ein Schlaglicht auf die Kunstszene zu werfen, sei eine Wiederholung, beispielsweise im Fünfjahresrhythmus der documenta denkbar, meint der Direktor der kestnergesellschaft, Veit Görner. Ähnlich wie bei der documenta ist außerdem ein umfangreicher zweisprachiger Katalog (deutsch/englisch) geplant.

Ausgerechnet Kolumbiens Hauptstadt Bogotá ist dieses Jahr Welthauptstadt des Buches. Rieselt das Koks nun aus den Buchseiten? Denn die Bewohner von Bogotá (Kolumbiens Stadt mit der niedrigsten Analphabetenrate von 2,5 Prozent) müssen zum Lesen verführt werden. Lieber surfen sie nämlich in Internet. Dies will die Regierung ändern. Daher wird sie sich über die Unterstützung durch die Weltkulturorganisation Unesco gefreut haben, die die Auszeichnung zum ersten Mal an eine Stadt in Lateinamerika vergibt.