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unterm strich

So schön hatten wir uns das in unserem sonnendurchfluteten Redaktionsraum ausgemalt: Ein Darmstadt-Spezial zu platzieren, aus aktuellem Anlass und aus persönlichen Gründen. Eben nicht nur weil von den beiden Dienst schiebenden Redakteuren der eine ein waschechter Darmstädter ist und der andere eine Freundin mit Darmstädter Vergangenheit hat. Sondern auch, weil der kroatische Verleger und Publizist Nenad Popovic am Sonntag in Darmstadt vom deutschen P.E.N.-Zentrum und dem Land Hessen mit der Hermann-Kesten-Medaille ausgezeichnet wurde. Gewürdigt wird der in Zagreb arbeitende Popovic anlässlich des „Writers-in Prison-Tages“ für seinen Einsatz für inhaftierte und verfolgte Schriftsteller. Der 50-jährige Popovic gilt als Vermittler südslawischer Literatur in Europa und fordert die Verantwortung der Literaten für eine zivilisierte Kultur ein. Dann aber hat natürlich auch Helmut Kohl sein „Tagebuch 1998–2000“ in der Welt vorabveröffentlicht. Wir lesen dort, dass ihn am 21. 12. 1999 morgens eine Vorladung zu einer Sondersitzung des CDU-Präsidiums erreicht habe. Kohl ist in Sorge und versucht sofort, Schäuble telefonisch zu erreichen (ja, das ist spannend!): „Doch erst auf der Autobahn bei Darmstadt gelingt es mir, ihn ans Telefon zu bekommen“, und ein erhitztes Gespräch und Ringen um die Namen der Spender folgte.

Der Rest ist bekannt. Geschichte wird also auch auf Autobahnen gemacht, und Darmstadt hat da nun einen Eintrag mehr. So ganz können wir der Stadt aber doch nicht unseren Platz geben, da seien Diepgen, Naumann und die Hauptstadtkultur vor. Unser Diepgen sprach sich am Samstag nämlich für die Übernahme weiterer finanzieller Kulturlasten durch die Bundesregierung aus. Im Privatsender Hundert,6 sagte er, die Entscheidung des Bundes für eine Finanzspritze von 3,5 Millionen Mark an die Staatsoper Unter den Linden zeige, dass die Möglichkeiten zur Unterstützung offenbar noch nicht ausgeschöpft seien. Typisch Berlin.

Dagegen lehnte Meldungsminister Naumann eine feste institutionelle Mitverantwortung des Bundes bei einer der Berliner Opern in einem dpa-Gespräch weiterhin ab: „Ich lasse mich nicht darauf ein, weil ich ganz einfach in die Reformpläne des Berliner Kultursenators Christoph Stölzl nicht eingreifen will.“ Stölzl wiederum betonte in der Welt am Sonntag, dem zu erwartenden Defizit der Opernhäuser von rund 40 Millionen Mark bis 2002 könne nur mit der raschen Umsetzung der Reformpläne begegnet werden: „Die Verantwortung für die faire Bezahlung aller Berliner Opernmusiker kann uns der Bund nicht abnehmen.“

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