unterm strich:
Die Friederike-Mayröcker-Verehrung ist eine im deutschsprachigen Literaturbetrieb ziemlich weit verbreitete Haltung, die bis weit in Schriftstellerkreise reicht, die gern nicht allein als avanciert, sondern auch als jung und hip beschrieben werden. So hat etwa der Lyriker Thomas Kling das Nachwort zu der Gedichtauswahl geschrieben, die vor zwei Jahren im Suhrkamp-Verlag erschien. Und Marcel Beyer führte schon vor vielen Jahren in Wien ein ausführliches Werkstattgespräch mit der „Rätselhaften Hohepriesterin der Literatur“, wie Pia Reinacher sie nannte. In dem Gespräch, nachzulesen in der Zeitschrift „Zwischen den Zeilen“ (Heft 4, August 1994), fragt Marcel Beyer: „Ist es so, dass du die Zeitung nur schnell durchliest, um irgendwas zu erfahren, oder bist du eigentlich immer auf Empfang gestellt, wann immer du liest?“ – Und Friederike Mayröcker antwortet: „Ja, ich bin eigentlich immer auf Empfang gestellt und unterstreiche mir dann in den Zeitungen gleich oder ich reiße es einfach heraus.“ – Und Marcel Beyer hakt nach: „Also jedes geschriebene Wort hat die Chance, eventuell von dir als Material verwendet zu werden?“ – Und Friederike Mayröcker antwortet: „Ja, aber oft nicht im Rohzustand, sondern oft verlese ich mich, und das sind dann die ergiebigsten Sachen. Ich verlese mich sehr oft eigentlich wahrscheinlich, weil ich flüchtig lese. Auch auf der Straße verlese ich mich, und das ergibt dann oft ganz wunderschöne Sachen. Verhören, das ist eh klar, verhören und verlesen.“
Nicht verhört hat sich die heute 76-jährige Friederike Mayröcker gestern, als das Telefon bei ihr nicht mehr aufhören wollte zu klingeln. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hatte bekannt gegeben, dass die österreichische Dichterin in die-
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