unterm strich:
Seine Zahnlücke war markant, seine Musik noch mehr. Sie begründete Ali Hassan Kuban seinen Ruf, der „Godfather der nubischen Musik“ Ägyptens zu sein, also eine Art James Brown des Nildeltas. Das waren natürlich nur Marketing-Etiketten, um ihn auch bei einem Publikum bekannt zu machen, dem Nubien, die Grenzregion zwischen Ägypten und dem Sudan, ansonsten allenfalls aus Asterix-Comics ein Begriff war oder von Leni Riefenstahls Fotoreportagen aus dem Reich der vorgeblich „edlen Wilden“.
Zu Hause, in Kairo, konnte Ali Hassan Kuban auf solch klingendes Weltmusikvokabular gut verzichten: Dort kannte den Musiker jedes Kind, zumindest jedes nubische. Denn dort, in der nubischen Gemeinde Kairos, war Kuban ein unangefochtener Star. Bei deren mehrtägigen Hochzeitsfeiern gehörte sein Auftritt einfach dazu, so wie die Henna-Zeremonie, bei der die Hände der Braut bemalt werden. Weil er der Nachfrage mit steigendem Ruhm aber nicht mehr nachkommen konnte, beschäftigte er zeitweise bis zu sechzig Musiker und unterhielt sieben Bands. Er selbst jettete im Taxi von Termin zu Termin, um kurz mal auf allen Hochzeiten persönlich vorbeizutanzen.
Mit der Wanderung der ehemals bäuerlichen Fellachen vom nubischen Hinterland in die großen Städte Ägyptens waren auch deren Feste und ihre Musik nach Kairo und Alexandria gelangt. Dort blieb sie allerdings nicht nur auf eine Subkultur beschränkt, sondern übte nachhaltigen Einfluss auf die ägyptische Musikszene aus. Auch hier war Ali Hassan Kuban ein Vorreiter: In den 70er-Jahren nahm er seine erste Kassette auf, und bald hatten die trockenen Percussion-Rhythmen des Südens, mit elektrischem Bass und Keyboardmelodien aufgepoppt, den ägyptischen Massengeschmack infiltriert. Und nicht nur den: Sogar in Europa und den USA ließ man sich von der Partymusik des begnadeten Entertainers anstecken. Das Berliner Piranha-Label brachte für den westlichen Markt mehrere Compilations mit Ali Hassan Kubans größten Hits heraus – die erste davon schon vor zwölf Jahren, die letzte, „Real Nubian“, erschien erst kürzlich. Vorige Woche erlag Ali Hassan Kuban nun, mit 72 Jahren, in Kairo einem Herzinfarkt. FOTO: PIRANHA
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