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Archiv-Artikel

theater Kleist pathetisch hingegossen

Durch Nachdenken hat schon mancher seinen Glauben verloren. Einer hieß Kleist: Kant gelesen, Rousseau gelesen, Glaube weg. Böse Philosophie. Was tun? Trauerspiel schreiben. „Die Familie Schroffenstein“, Kleists Erstling von 1801, ist eine pessimistische Romeo-und-Julia-Variante. Eine Parabel auf tief sitzendes Misstrauen und seine fatalen Folgen. Regie-Star Michael Thalheimer inszeniert das selten gespielte Stück am Kölner Schauspielhaus.

Zwei Zweige einer schwäbischen Adelsfamilie haben einen Vertrag: Stirbt der eine aus, erbt der andere. Grund genug, einander misstrauisch zu beäugen. Ein Kind ist tot: Die einen denken, die anderen hätten es umgebracht. Fehde liegt in der Luft. Da entdecken Agnes aus dem einen und Ottokar aus dem anderen Haus ihre Liebe zueinander. Daraus kann nichts werden, durch unglückliche Umstände sterben auch sie. Ein Trauerspiel.

Eigentlich strotzt Thalheimers Inszenierung von guten Ideen: Das Bühnenbild aus schiefen Ebenen (Olaf Altmann) erinnert an Scheuklappen – Symbol des verengten Blicks und verbohrter Positionen. Dann die Sprache: Schnell, abgehackt und ohne Timbre sprechen die Figuren an der Rampe stehend eine Art seelenloses Kriegs-Stakkato, deklamieren ins Publikum anstatt aufeinander einzugehen. Und über allem liegt Musik: Leise Elektrobässe suggerieren unbehagliche Konfliktstimmung.

Uneigentlich gibt es Dinge, die nerven: Michaela Barth scheucht die Akteure in Kostümen zwischen Ritter, Klempner und Haste-mal-n-Euro-Punk auf die Bühne, Claude de Demo als Agnes erinnert in ihrem nordfriesischen Strickpulli an die Miss Hallig-Wahl 1975. Wenn die Schau-spielerInnen nicht gerade stehen, hocken sie als Hühner auf der Stange, Anja Laïs torkelt als Eustache knieweich herum, stöhnend und seufzend wie Courtney Love auf Tranquilizern. Unfreiwillig komisch auch das pathetische Schlussbild mit hingegossenem toten Liebespaar, fünf Rittern und Cat Stevens‘ „Father and Son“ als Begleitmusik.

Viel „Bravo“ und„Buh“ gab es nach der Premiere dieser brüchigen Inszenierung. Echter Konfliktstoff. Holger Möhlmann

Die Familie Schroffenstein, Schauspielhaus, Offenbachplatz, Tel. 221/28 400, nächste Vorstellungen: 8., 9., 12.6., jeweils 19.30 Uhr