taz.gazete geht zu Ende: Wir sagen Tschüss

Am Anfang stand viel Idealismus. Die Kämpfe für Demokratie und Pressefreiheit gehen weiter.

Bild: Zeynep Özatalay

Als taz.gazete am 19. Januar 2017, dem zehnten Todestag des armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink, online ging, erlebte die Türkei eine umwälzende Zeit. „Die aktuellen Entwicklungen sind schnelllebig, besorgniserregend, folgenreich, widersprüchlich, verwirrend, dramatisch, aufwühlend, traurig, ärgerlich, unübersichtlich ... Vor allem aber sind sie eins: wichtig“, schrieben wir im Editorial.

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Hier können Sie Texte zum Abschied des Projekts lesen.

Ein halbes Jahr zuvor war nach dem Putschversuch der Ausnahmezustand verhängt worden. Per Dekret wurden Pressefreiheit und Grundrechte in schwindelerregendem Tempo eingeschränkt. Die taz wollte nicht nur zuschauen, sondern Solidarität mit den Kolleg*innen zeigen, die in der Türkei viel riskierten, um weiter zu berichten. Wir wollten kritische Stimmen stärken, die immer mehr unter Druck gesetzt wurden.

Seitdem haben wir auf gazete.taz.de rund 700 Hintergrundberichte, Reportagen und Interviews veröffentlicht – auf Türkisch und auf Deutsch. Mehr als 50 Autor*innen aus der Türkei haben für taz.gazete geschrieben. Sie haben zu einer vielfältigeren Türkeiberichterstattung in Deutschland beigetragen. Heute geht das Projekt zu Ende. Hier können Sie sich die Abschiedstexte herunterladen.

Mehr als 50 Autor*innen aus der Türkei haben für taz.gazete geschrieben

Doch die tief greifenden Veränderungen in der türkischen Gesellschaft gehen weiter. Heute findet zum ersten Mal nach 86 Jahren in der Hagia Sophia das Freitagsgebet statt. Mit dem neuen Internetgesetz sollen die sozialen Medien, in denen noch Opposition geäußert werden konnte, unter Kontrolle gestellt werden. Während in der Gesellschaft der Rassismus gegen Syrer*innen zunimmt, ertrinken weiterhin Geflüchtete an den Landesgrenzen. Die 27-jährige Studentin Pınar Gültekin wurde von ihrem Ex-Freund brutal ermordet. 

Währenddessen wird diskutiert, die in der Istanbul-Konvention formulierten  Frauenrechte rückgängig zu machen. Erdoğan wiederum, der fürchtet, die Wahlen 2023 zu verlieren, redet lieber über eine erneute Änderung des erst vor zwei Jahren eingeführten Wahlsystems, als über Frauenmorde zu sprechen. Blickt man nur auf die Ereignisse der vergangenen Wochen, wäre es naiv zu glauben, dass ein in Deutschland gegründetes Projekt die Demokratie in der Türkei stärken könnte.

Trotzdem war taz.gazete ein wichtiges Projekt: eine Anlaufstelle für arbeitslose  Journalist*innen aus der Türkei und ein Bezugspunkt für viele, die zuletzt nach Deutschland migriert sind. Es versuchte, die Pressefreiheit zu unterstützen, die jeder Demokratie zugrunde liegt, während in der Türkei alles, was mit Demokratie zu tun hatte, systematisch zerstört wurde.

Eine Anlaufstelle für arbeitslose Journalist*innen aus der Türkei und ein Bezugspunkt für viele

Auch wenn taz.gazete jetzt endet, die Kämpfe gehen weiter. Wir danken unseren Kolleg*innen in der Türkei, unseren Leser*innen und Spender*innen, Konny Gellenbeck, der taz und der taz Panter Stiftung für ihre Unterstützung, der ersten Projektleiterin Fatma Aydemir, dem Ideengeber Martin Kaul, Ebru Taşdemir und dem gesamten Team sowie unseren Übersetzer*innen. Hoşça kalın!