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sommerkrimi

Folge 27

„Besonders originell war das ja nicht gerade.“

Lund hatte Mühe, die Abneigung gegen diesen Menschen nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.

„Von wann bis wann waren Sie auf Mallorca?“

„Eigentlich wollte ich vier Wochen fahren, bis zum 15. September, ich bin aber schon etwas früher wieder abgefahren.“

„Wann genau sind Sie abgefahren?“

„Am Sonntag, 9. September.“

„Genau an dem Tag, an dem Sie den Verlust der Karte gemeldet haben?“

Lund zog die Augenbrauen hoch, zum Zeichen seiner Skepsis.

„Ja, genau. Dass sie weg war, hab ich eben erst bei der Abreise gemerkt.“

„Warum sind Sie abgefahren?“

„Also, das war so eine Spontan-Idee, hatte einfach keine Lust mehr.“

„War Ihre Frau mit auf Mallorca?“

„Nein. Ich fahre gern mal ohne sie.“

Pieter Lund hatte auch keine Lust mehr.

„Herr Bäuerl, wo waren Sie am 11. September in der Zeit zwischen 10 und 13 Uhr?“

„Auf der Arbeit.“

„Sagten Sie nicht, Sie hatten noch Urlaub?“

„Den habe ich mir gutschreiben lassen. Zu Hause rumsitzen liegt mir nicht, da gehe ich lieber arbeiten.“

Auf der Rückfahrt nach Hamburg hatte Pieter Lund das Gespräch mit Heinz Bäuerl schon fast wieder vergessen. Fehlanzeige. Ganz offensichtlich hatte der Mann irgendeinen Dreck am Stecken, schwitzte vor Angst, dass er ans Tageslicht kommen könnte. Zu Novitzki konnte er dennoch keine Verbindung erkennen.

Auf der Autobahn schaltete er das Radio ein. Ihm fiel auf, dass er seit den Anschlägen auf das World Trade Center keine CD mehr gehört hatte. Ihm war einfach nicht danach. Er hatte die letzten Tage nur die wichtigsten Nachrichten im Vorbeigehen aufgeschnappt, es blieb einfach keine Zeit, sich gründlich mit der aktuellen Entwicklung auseinander zu setzen. Auf dem Weg nach Wanne-Eickel hatte er mehrfach aufgestellte Schilder gesehen: „Wir trauern mit Amerika!“, „Amerikaner, wir sind mit euch!“

Im Radio erzählten sie von einem Iren, der irgendwo in den oberen Stockwerken des Centers gearbeitet hatte. Er hatte nach dem Aufprall des Flugzeugs versucht, zunächst über den Fahrstuhl, dann über die Haupttreppe nach unten zu gelangen. Vergeblich. Alles voller panischer Menschen. Zufällig fand er eine Nebentreppe. Hier hatte er freie Bahn. Rannte um sein Leben. 20 Minuten, 30 Minuten, eine schier endlose Zeit. Kaum war er ins Freie gelangt, hörte er hinter sich ein fürchterliches Grollen. Der Tower stürzte ein. Er konnte sich in letzter Sekunde vor der Staubdruckwelle in irgendeinen Hauseingang retten.

Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman, erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus

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