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schnittplatz Goldene Ohrfeige

„Beim Ideenwettbewerb Bildschirmwerkstatt 2000 sind vier Hauptpreise vergeben worden. Wie Pro Sieben am 9. April mitteilte, seien die Vorhaben ‚ErLernBar‘, ‚Agathe und Gustav‘, ‚Die Frontale Serie‘ und ‚40@net‘ mit einem Hauptpreis zu je 10.000 Mark ausgezeichnet worden“, meldeten Nachrichtenagenturen am Dienstag.

Respekt, Damen und Herren aus Unterföhring: Mal eben ein Bußgeld in Höhe von 200.000 Mark und eine öffentliche Ohrfeige der Medienaufsicht in einen Kreativwettbewerb umzuwandeln, der euch überregional Schulterklopfen eingetragen hat, das war schon clever.

Die Vorgeschichte? Anno 1998 hatte die für Pro Sieben zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) gleich acht Folgen der Talkshow „Arabella“ offiziell beanstandet und dem Sender ebenjenes Bußgeld aufgebrummt. Doch Pro Sieben wurde sich Ende 1998 mit der MABB handelseinig: Das Bußgeld wurde gestrichen, stattdessen sollte Pro Sieben ein Projekt zur Stärkung der Medienkompetenz Jugendlicher auf die Beine stellen und finanzieren. Wenn jetzt z. B. mit „Agathe und Gustav“ ausgerechnet eine Senioren-Sitcom ausgezeichnet wird, zeigt sich zwar auch, dass Pro Sieben wiederum sich nicht so ganz an die Spielregeln hielt – interessant ist das Resultat aber auf jeden Fall: Einmal, weil der Sender seine „Strafarbeit“ zum Marketinginstrument umfunktionieren konnte, das von illuster-finanzkräftigen Partnern wie der Commerzbank oder dem Internet-Dienst com.online gesponsert wurde und vom Adolf-Grimme-Institut seine qualitativen Weihen erhielt. (Außerdem hat da auch jemand kräftig gespart: Das Bußgeld belief sich, wie gesagt, auf 200.000 Mark, an Preisgeldern wurden jetzt schlanke 40.000 Märker ausgeteilt). Und zum Zweiten, auf der abstrakteren Ebene, weil man die Sanktionen der Medienwächter ja offenbar irgendwie dann doch nicht so dolle ernst zu nehmen braucht. Also: Immer nach vorne diskutieren, Genossen! stg

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