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Archiv-Artikel

russen und schweizer über schröder und die deutsche innenpolitik

Wremja aus Moskau kommentiert: Die Situation im deutschen Regierungslager entspricht inzwischen mehr einem Chaos als einer Krise. Die SPD hat das Vertrauen und die Unterstützung der Wähler verloren und ist nicht mehr in der Lage, das Land zu regieren. Und Kanzler Schröder hat nicht einmal mehr die Kraft, die Panik in seiner Partei im Zaum zu halten. Das Grundgesetz hält ihn gefangen. Am 22. Mai hatte er den Mut, vorgezogene Neuwahlen zu verkünden. Doch die Vertrauensfrage im Bundestag darf er nicht vor dem 1. Juli stellen. Bis dahin verlangt das Grundgesetz von ihm, stillzuhalten und zuzusehen, wie sich die politischen Kräfte im Lande gegenseitig attackieren.

Der Tages-Anzeiger aus Zürich meint: Gerhard Schröders Votum für Neuwahlen war ein einsamer Beschluss, in den nur wenige eingeweiht waren und dessen Konsequenzen der deutsche Bundeskanzler offenbar nicht zu Ende gedacht hat. Dabei ging es ihm offenbar nur um den Machterhalt, nicht um das hehre staatspolitische Ziel, die Sozialreformen durch Wahlen legitimieren zu lassen. Sollte Schröder bei Bundespräsident Horst Köhler durchkommen, dann nur, weil seine Rivalin, die Christdemokratin Angela Merkel, unbedingt Neuwahlen will. Ob sein „Coup“ aber vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, ist völlig offen. Alles in allem: ein unwürdiges Spektakel.