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"Wir sind nicht die doofen Ostler!"

■ taz-Umfrage: Die "Wessidenkmalvorstellungen" des parlamentarischen eschäftsführers der CDU-Fraktion, Volker Liepelt, stoßen bei ostdeutschen Bürgerrechtlern auf Kritik / "Lieber Geld fürs ...

Die Idee, den Bürgern, die die „friedliche Revolution in der DDR herbeigeführt haben“, im Jahre vier der deutschen Einheit ein Denkmal zu setzen, wird Initiator Volker Liepelt, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, wohl alleine durchsetzen müssen (siehe taz vom 8. Februar). Jedenfalls ohne die Beteiligung von DDR-Bürgerrechtlern, die die Wende durch ihren gewaltfreien Widerstand mit ermöglicht haben.

„Ich möchte nicht, daß man mir ein Denkmal setzt“, sagt Harald Schwenke, Vorsitzender des „Bürgerkomitees 15. Januar“ (Sturm auf die Stasizentrale Normannenstraße) und heute Mitglied der FDP im Abgeordnetenhaus. Viel wichtiger ist es seiner Ansicht nach, wenn man den Opfern des Stalinismus helfen würde, die Geschichte des deutschen Totalitarismus aufzuarbeiten. Das wäre ein Denkmal, das in die Zukunft weisen würde, meint Schwenke, und „kein toter Klotz“.

Gemeinsam mit der Bibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus am Hausvogteiplatz, der Gedenkstätte ASTAk im ehemaligen Mielke-Haus, der Robert Havemann-Gesellschaft, dem „Matthias-Domschak-Archiv“, dem Bund der stalinistisch Verfolgten, der Hilfsorganisation Help, dem Kurt- Schuhmacher-Kreis und dem Mauermuseum am Checkpoint Charlie habe man im vergangenen Dezember den „Förderverein Wahrheit gegen Gewalt“ gegründet. Dieser soll zu einer Stiftung werden, damit die begonnene Arbeit zur Vergangenheitsaufarbeitung weitergeführt werden kann. „Dafür brauchen wir dringend Geld“, bekräftigt Ursula Popiblek, Archivarin der „Verbotenen Büchersammlung“ und Mitarbeiterin der Bibliothek am Hausvogteiplatz. „Wir haben eine einmalige Sammlung von über 5.000 Häftlingsgeschichten und Dokumenten der Opfer über ihre Verfolgung und noch keine Mittel, sie anständig weiterzuführen.“ Sagt sie. Diese Bücher plus die Sammlung von Tätermaterial in Kombination mit einem „Menschenrechtsmuseum“ wäre eine „viel bessere Idee, den Rechtsstaatgedanken zu untermauern, als ein Haufen Steine“.

Auf die fehlenden Mittel für die Forschungsprojekte der Bürgerrechtsbewegung wies gestern auch das Neue Forum hin. Besser als ein Denkmal wären 50 ABM-Stellen, um ein „Überleben dieser Initiativen zu ermöglichen“, hieß es in einer Presseerklärung. Auch das Haus der Demokratie, ebenfalls eine Initiative der Bürgerrechtsbewegung, sei immer noch nicht gesichert und bedürfe dringender Unterstützung.

Michael Schreiber, Landesvertreter des Neuen Forums, hält die Denkmalidee für eine „Verscheißerung“ ihrer bis 1989 gepflegten Ziele: „Wir hatten andere Ideen“, sagt er, „eine Einheit im Zuge der europäischen Vereinigung, und nicht die deutsche, so wie sie jetzt ist.“ Ihm komme Volker Liepelts Denkmal-Initiative als eine „neue Form der Abwicklung“ vor, nach dem Motto: „Seht her, Leute, da war mal was, aber leider ist es vorbei.“ Statt der von Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“ jetzt eine „in Beton gegossene Heroisierung“, kommentiert er. Weil Liepelt seines Wissens nach die Idee am Schreibtisch anstatt im Gespräch mit Bürgerrechtlern entwickelt habe, vermutet Schreiber obendrein „einen Wahlkampfgag“. Und das wäre eine Beleidigung ihres Engagements, denn „wir sind doch nicht die doofen Ostler, die jetzt mit Wessidenkmalvorstellungen auf Linie gebracht werden können“. Die beste Würdigung der Demokratiebewegung in der DDR wäre, wenn man die Bürger erst nehmen würde und auch die Kritik der einstigen Bürgerrechtler an den jetzigen Zuständen. „Und die wird ja völlig ignoriert“, sagt er. Eine Ansicht, die die Theaterregisseurin Frey Klier fast wörtlich teilt. „Wo sind denn die vielen tausend Bürgerrechtler aus Leipzig?“ möchte Klier wissen. CDU, SPD und FDP hätten früher die DDR-Oppositionellen ignoriert – und täten dies heute noch. Und das Bündnis 90/Grüne kommentiert: „Was den ehemaligen DDR-BürgerInnen wohl bleiben wird, ist ein Denkmal für die nicht eingelösten Versprechungen eines Kanzlers.“ Anita Kugler

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