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"Wir fangen wieder neu an"

■ Beschlossen ist längst noch nicht umgesetzt: Schönebergs bündnisgrüne Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer sieht ein Zusammenwachsen von Schöneberg und Tempelhof als Aufgabe für Jahrzehnte

taz: Das Parlament hat für die Gebietsreform gestimmt. Wie bereitet sich Schöneberg nun auf die Fusion mit Tempelhof vor?

Elisabeth Ziemer: Wir müssen erst mal unseren kleinen Schock überwinden, weil diese Abstimmung im Abgeordnetenhaus leider nicht auf Vernunftgründen, sondern nur auf parteitaktischen Gründen basierte. Die Verwaltung wird mit drei Riesenvorhaben konfrontiert, nämlich der Verwaltungsreform, die wir als Schöneberger immer sehr vehement betrieben haben und wo wir sehr weit sind. Damit müssen wir jetzt wieder neu anfangen, und das bedeutet, daß jahrelange Diskussionen und Entscheidungen für die Katz waren. Das wird viele Mitarbeiter davon abhalten, sich mit Riesenengagement auf die Verwaltungsreform zu werfen.

Das zweite ist die Aufgabenübernahme aus der Hauptverwaltung durch die Bezirke, und das dritte ist die Zusammenführung zweier sehr unterschiedlicher Bezirke, die einen völlig unterschiedlichen Stand im Rahmen der Verwaltungsreform haben. Die Verwaltung wird in den nächsten Jahren sehr viel mit sich selbst zu tun haben und sehr wenig Zeit für die Bevölkerung haben, was ich unmöglich finde. Ich halte das für eine völlige Überforderung, diese drei Riesenprojekte zusamen durchzuziehen. Daran werden wir uns heftig verschlucken.

Auf der Skala von 1 bis 10 – wo stehen Schöneberg und Tempelhof bei der Verwaltungsreform?

Wir stehen mit Köpenick an der Spitze, also auf 10, und Tempelhof steht auf 1. Wir haben als einziger Bezirk eine Haushaltsplanaufstellung, wo die einzelnen Abteilungen ihre Einnahmen und Ausgaben selbst einsetzen müssen. Die Verantwortung ist bei uns wirklich dezentralisiert worden, die Leute sind beim Geld und beim Personaleinsatz sehr viel verantwortungsbewußter geworden. Aber jetzt müssen wir uns über die gesamten Strukturen neu Gedanken machen, wenn hier der größte Bezirk Berlins entsteht.

Haben Sie schon Kontakt mit Tempelhof aufgenommen?

Nein, wir haben erst mal die Abstimmung abgewartet, aber wir haben bereits im letzten Jahr den Tempelhofern eine besondere Arbeitsgruppe angeboten, um sich die zu erwartenden Folgen einer solchen Fusion einmal vorzustellen. Die Tempelhofer haben abgelehnt. Ich hoffe, daß die Zusammenarbeit nicht durch solche Blockaden behindert wird.

Aber werden die Rechte der Bezirke nicht gestärkt?

Ja, das ist versprochen worden. Aber unterderhand heißt es, daß ohne eine Kopplung dieser Entscheidung mit der genauen Festlegung der künftigen Aufgaben die Abgabe von Kompetenzen an die Bezirke hinten runterfallen wird. Unsere Erfahrung der letzten Jahre ist, daß die Hauptverwaltung mit Zähnen und Klauen ihre Arbeitsgebiete verteidigt. Es hat ja bereits Gespräche auf höchster Ebene gegeben, wie man es hinkriegt, am wenigsten an die Bezirke abzugeben.

Könnte Schöneberg nicht gewinnen, weil mit Tempelhof ein Bezirk mit weniger sozialen Problemen dazukommt?

Das könnte ein Vorteil sein, es könnte aber auch in Tempelhof das Verständnis für die Probleme Schönebergs fehlen. Auch in Tempelhof steigen die Arbeitslosenzahlen. Es wird dort soziale Probleme geben, wie wir das auch jetzt schon in Schöneberg haben.

Wie lange dauert es, bis Tempelhof und Schöneberg eine Einheit sind?

Das dauert Jahrzehnte. Friedenau gehört schon seit 1920 zu Schöneberg, und die Friedenauer fühlen sich immer noch als Friedenauer. Interview: Bernhard Pötter

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