: "Renitente Christen"
■ betr.: "Laß diesen Kelch vorübergehen", taz vom 10.10.90
betr.: „Laß diesen Kelch vorübergehen“, taz vom 10.10.90
[...] Als wir 1975 nach Rostock zogen, lag hier der Fall Ulrich Schacht noch direkt in jüngster Vergangenheit, und was wir damals von Pastor Schwarz darüber hörten, hatte uns mit Traurigkeit und tiefer Erbitterung erfüllt. So erlebten wir den am Sonntag, den 7.10. von der ARD ausgestrahlten Film: Du bist mein Land — eine Heimkehr aus der eigenen schmerzlichen Betroffenheit so hautnah mit, daß wir uns fragten, warum diese auch für die Bewältigung unserer Vergangenheit so wichtige Dokumentation erst zu so später Stunde gesendet wurde. Völlig unverständlich ist uns darum die unter der oben angegebenen Überschrift veröffentlichte „Rezension“!
Sind es Verdrängungsmechanismen — oder eigene erfahrene Verletzungen (durch wen? durch was?) die bei Frau Simon-Zülch eine derart haßerfüllte Reaktion auslösen konnten? Oder auf welchem Stern (oder auch: unter welchem Stern) hat die Verfasserin in der Zeit gelebt, als die in dem Film gezeigten Dinge in unserem Land möglich waren? Ein ähnliches Schicksal hätte auch jeden aus unserer Familie treffen können, denn auch wir und unsere fünf Kinder haben zu den „renitenten Christen“ gehört. Und weil wir diesen Status auch jetzt beibehalten haben, wurden wir Abonennten der taz. Aber der Geist, der aus dem Artikel spricht, schmälert unsere Sympathie für diese Zeitung ganz erheblich. Meinungsvielfalt ja — aber bitte nicht in Form von infamen Haßgesängen. Die hatten wir lange genug! Erika und Bernhard Raudszus, Rostock
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen