: "Merkwürdige Apathie!"
■ betr.: "Soli-Bewegung versinkt in Apathie" (Bericht von der Mitgliederversamlung der AAB), taz vom 12.5.92
betr.: „Soli-Bewegung versinkt in Apathie“ (Bericht von der Mitgliederversammlung der AAB)
von Jörgen Klußmann,
taz vom 12.5.92
Als Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) freute ich mich zu hören, daß die taz von der diesjährigen AAB- Mitgliederversammlung berichten würde. Die Freude wich der Wut, als ich den Bericht dann las. Wenn ich nicht selbst mit dem Autor gesprochen hätte, würde ich davon ausgehen, daß dieser sein Wochenende auf einer anderen Veranstaltung verbracht hat. Jedenfalls ist sein Bericht voll von falschen Fakten, widersprüchlich, unvollständig und entstellend.
Jörgen Klußmann titelt „Soli-Bewegung versinkt in Apathie“, um dann auf der Mitgliederversammlung beschlossene Arbeitsvorhaben aufzuzählen, deren Existenz alleine schon das Gegenteil seiner Behauptung belegt. Er bringt zwar schon bei der Aufzählung einiges durcheinander, doch fangen wir lieber von vorne an.
Klußmann konstatiert „Enttäuschung und Frustration über die Zunahme der Motivations- und Interessenlosigkeit“, nachdem er die Teilnahme an der Mitgliederversammlung als „überraschend gut“ ausgewertet hat. In der Tat verliert die AAB aufgrund der positiven Entwicklung in Südafrika Mitglieder. Der Mitgliederschwund geht auch an die finanzielle Substanz, doch die Stimmung auf der Mitgliederversammlung war von großer Offenheit und Diskussionsbereitschaft über die zukünftige Arbeit gekennzeichnet. Daß die AAB vor einer Entscheidung steht, wie und auf welchen inhaltichen Feldern sie weiter aktiv sein will, kann sich jedeR an den Fingern einer Hand abzählen, der/die die politische Entwicklung in Südafrika zum Beispiel über die taz-Berichterstattung verfolgt. Daß die Diskussion darüber auch in unterschiedliche Richtungen geht, liegt auf der Hand. Doch in einem Bericht von der teilweise recht lebhaften Auseinandersetzung über die Zukunft der Organisation der AAB auch noch „Verzweiflung“ zu attestieren, die tatsächlich falsch am Platz wäre, verweist darauf, daß der Autor wohl nur physisch im Versammlungsraum anwesend war.
Auch ein „Votum für ein ,Weitermachen wie bisher‘“ konnte ich beim besten Willen nicht erkennen. Vielmehr wurden Beschlüsse gefaßt, die zum einen zur inhaltlichen Erschließung neuer Arbeitsfelder dienen, zum anderen die Entwicklung von Positionen und Aktionen in neue organisatorische Strukturen (Arbeitsgruppen) lenken sollen.
Es stimmt nicht, daß darüber entschieden worden ist, daß im Zentrum einer Post-Apartheid-Solidaritätsgruppe die Partnerschafts- und Projektarbeit stehen wird. Vielmehr wurde beschlossen, in Zukunft in der Geschäftsstelle der AAB Informationen über Projekte der einzelnen Lokalgruppen zu sammeln und zu veröffentlichen, mit einer Arbeitsgruppe Wirtschaftspolitik Vorbereitungen zu treffen, um Einfluß nehmen zu können auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Südafrika und der BRD nach Abschaffung der Apartheid. Schließlich einigten sich die MV-TeilnehmerInnen auf die Durchführung eines Seminars zum Thema „Solidaritätsarbeit und Rassismus“.
Zur Frage der Anti-Rassismus- Arbeit im Rahmen der AAB, der Frage, bei der Kritik an der bisherigen Haltung der Anti-Apartheid-Bewegung durchaus angemessen wäre, vermischt Klußmann seine eigenen Vorstellungen mit dem Diskussionsergebnis. Es ging keineswegs um eine „völlige(n) Neuorientierung der AAB in Richtung Antirassismus...“. Gegenstand der Diskussion war vielmehr, ob sich angesichts der rassistischen Ausschreitungen in der BRD die AAB als Organisation (v.a. nach Abschaffung der Apartheid in Südafrika) stärker als bisher auf Bundes- und auch auf lokaler Ebene an Anti-Rassismus-Arbeit beteiligen soll, oder ob sich die Mitglieder besser wie bisher im Rahmen bereits bestehender Initiativen und Organisationen gegen Rassismus betätigen sollten. Die „Neuorientierung...“ mit Satzungs- und Namensänderung wurde dagegen von einem einzigen Teilnehmer in der entsprechenden Arbeitsgruppe vorgeschlagen, nämlich Klußmann selber.
Ein weiterer, nicht unwesentlicher Fehler unterlief dem Berichterstatter bei der Einschätzung der politischen Situation in Südafrika. Entweder hat er wirklich keinen Schimmer oder er hält es lieber mit den Advokaten der südafrikanischen Regierung. Nachdem er drei Tage an der Mitgliederversammlung der Anti- Apartheid-Bewegung teilgenommen hat, schreibt er, daß mit der Abschaffung des Population Registration Act (übrigens im Juni 1991, nicht „kürzlich“) „die institutionalisierte Form des Rassismus, die Apartheid, praktisch abgeschafft“ sei. Daß die große Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung noch immer nicht wählen gehen darf, scheint für ihn keine Rolle zu spielen.
Peinlich wird es dann, wenn der gleiche Schreiber kritisiert, daß die AAB „angesichts wachsender Ausländerfeindlichkeit und Rassismus auch in Deutschland“ kein Statement zu den „Rassenunruhen in den USA“ abgegeben hat. Das hat sie zwar tatsächlich nicht, und ob das so gut war, ließe sich auch diskutieren, doch scheint mir diese zum Schluß angeklatschte Information eher den Zweck zu verfolgen, die anti-rassistische Grundhaltung, auf die sich alle AAB-Mitglieder mit ihrem Eintritt verpflichten, als Lippenbekenntnis zu denunzieren, denn interessierte ZeitungsleserInnen zu informieren. Eine andere Erklärung kann ich nicht finden.
Abschließend möchte ich dem Autor zwei Dinge nahelegen: Erstens sich beim taz-Korrespondenten in Johannesburg, Hans Brandt, über die Situation in Südafrika zu unterrichten, bevor er wieder zur Feder greift und sich über Südafrika verbreitet; zweitens kann er sich gerne auch in der AAB-Geschäftsstelle über die Entwicklung in Südafrika und die Beschlüsse der AAB-Mitgliederversammlung informieren. Das ausführliche Protokoll dürfte demnächst vorliegen. Thomas Rudner,
AAB-Geschäftsstelle, Bonn
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