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Interview"Mein ganzes Streben gilt dem Aufklären"

■ Rasende Leichenbeschauer heute in Hamburg / Sänger Attila Grandpierre im Gespräch

INTERVIEW

»Mein ganzes Streben gilt dem Aufklären«

Rasende Leichenbeschauer heute in Hamburg/Sänger Attila Grandpierre im Gespräch

Seit 1974 ackern „Vagtazo Halottkemek“ aus Ungarn, gebrochen übersetzt mit „Rasende Leichenbeschauer“, für ihr Konzept aus metaphysischen Ambitionen und einer punkig-donner-hallenden Musik.

Die jüngste LP, „Hammering At The Gates Of Nothingness“, wieder auf dem Alternative-Tentacles-Lable des Dead-Kennedy-Chefs Jello Biafra veröffentlicht, sieht der Sänger Attila Grandpierre mindestens als geschichts- philosophisches Werk an.

Steht „Nothingness“ für Kulturpessimismus?

Überhaupt nicht! „Nothingness“ bedeutet im astrophysikalischen Sinne „Beginn“, beziehungsweise meint die Zeit, in der sich die Gestirne ordneten. „Nothingness“ soll aber auch einen Punkt eines Kreislaufes von historischen Ereignissen auf der Erde bezeichnen. „Nothingness“ kennt also immer ein Davor und ein Danach. Das Problem ist aber, daß unterschied-

liche Interessengruppen in Ungarn unterschiedliche Chronologien propagieren. Deshalb habe ich für die neue Platte ein Stück über eine Schlacht der Hunnen im 8. Jahrhundert in Tarnokvolgy geschrieben. Obwohl die Motive dieser Schlacht viel zur Frontenbildung im heutigen Ungarn erklären, kennt kein Mensch ihren Ablauf, ihr Datum oder die beteiligten Heere.

Wie schwer ist es, solche Sachverhalte von der Bühne aus zu vermitteln?

Seit es mit dem Kommunismus in Ungarn vorbei ist — und nichts Besseres konnte uns passieren! —, haben wir Optionen auf Vermittlung aller möglichen Sachverhalte. Ich schreibe für das Feuilleton einer Budapester Zeitung philosophische Essays, gehe meinen Arbeiten in theoretischer Physik nach und beteilige mich an Vagtazo Halottkemek. Meine Zeit ist knapp, weil die Möglichkeiten, sie auszufüllen, größer geworden sind.

Welche Talente braucht es, um eine Gruppe so lange zusammenzuhalten?

Disziplin, Arbeitsteilung und Demut. Sieh mal, diese Bank, auf der wir sitzen, mag dir und mir winzig erscheinen. Meine wissenschaftliche Arbeit zeigt mir aber den Zusammenhang aller Dinge, und so lerne ich, Ehrfurcht vor dieser Bank zu entwickeln. Das bleibt mitunter nicht ohne Folgen: Ich ertappe mich bei Selbstgesprächen auf der Toilette, geführt im Pluralis majestatis. Hinterher kann ich mich nur schemenhaft erinnern.

Interessierst du dich eigentlich für Hard Core?

Mein ganzes Streben gilt dem Aufklären und Begreifen. Ich kenne den Underground in Ungarn, und ich weiß um die Wichtigkeit einer Person wie Jello Biafra. Ich bin aber zu sehr von meiner Arbeit in Anspruch genommen, als daß ich mich noch mit den allerjüngsten Diskussionen auseinandersetzen könnte. Fragen: Kristof Schreuf

Fabrik, 21 Uhr

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