: "Los und ledig"
■ betr.: "Gesucht: die makellos antipatriarchale Liebe" von Helga Luschokat, taz vom 13.11.90
betr.: „Gesucht: die makellos antipatriarchale Liebe“ von Helga Lukoschat, taz vom 13.11.90
Der Artikel zeugt von unfairem Journalismus oder/und Mißverstehen der Absicht dieses Kongresses. Ich selbst hatte einen weitaus anderen Eindruck: Ich bewunderte die Vielfalt der Frauen/Lesben/Bisexuellen und so weiter, die auf diesem Kongreß zu hören/sehen waren. Auch mir paßte Anja Meulenbelts herzerfrischende Art, mit dem Thema umzugehen, am besten. „Wir sollten einander zugestehen, daß wir uns die Probleme, mit denen wir uns herumschlagen, selbst wählen können“, meint sie zum Beispiel in bezug auf Beziehungen (feministischer) Frauen. Der Artikel suggeriert ganz klar, daß es weitaus wichtigere Themen als das des Kongresses gäbe.
Nun, zumindest Anja Meulenbelt scheint — „trotz“ ihrer „Heterobeziehung“ — sich immer noch an Frauen zu orientieren, was deren Taten und Widerstandsmöglichkeiten gegen ebendieses Patriarchat und ebendiese „Zwangsheterosexualität“ Adrienne Richs betrifft. Spätestens seit diesem Kongreß hätte der Autorin dieses meines Erachtens „lesbenphobischen“ Artikels klar sein müssen, daß es eben nicht hauptsächlich um sexuelle Orientierung ging: „Das deutsche ,und‘ ist ein ausschließendes ,und‘, es bezeichnet nicht das Gegenteil. Das Gegenteil zu Zwangsheterosexualität ist Widerstand. Lesbischer Widerstand kann eine Form davon sein...“, so Susanne Kappeler.
Will sagen, der Grundtenor des Kongresses ging meines Erachtens eher in die Richtung, daß „alle Menschen Schwestern werden“ könnten, um ein nettes Wortspiel Luise Puschs aufzugreifen.
Nun, zum Widerstand in dieser wunderschönen, heilen Welt braucht es zumindest von allen Frauen Verbundenheit und Toleranz, warum nicht schwesterliche Liebe, warum nicht lesbische Liebe? Ich persönlich habe keine Lust, nur gegen Patriarchate zu kämpfen; ich will auch für etwas und für mich kämpfen. Wie gut, lesbisch zu sein, da gibt's dann gleich doppelte Benachteiligung und Betroffenheit. [...] Um ehrlich zu sein, wird es bei der Verbreitung von Artikeln wie diesem, sogar für eine schonungslos optimistische und gerne lesbische Frau wie mich, gelinde gesagt schwierig zu glauben, was Luise Pusch so zuversichtlich äußerte. [...] Susanne Herbig, Freiburg
Obwohl auch ich mich oft auf diesem Kongreß über die Lesben geärgert hatte, die glaubten, den Stein der Weisen gefunden zu haben, und vermitteln wollten, die „Heteras seien noch nicht so weit“, erscheint mir dieser Artikel doch unfair gegenüber mehreren Referentinnen. Denen ging es nämlich nicht um die Abschaffung der heterosexuellen Liebesbeziehungen, sondern um das Hinterfragen der Gründe für die Entwicklung zur großen Abhängigkeit vom Mann und seinen Taten. Es war den Rednerinnen wichtig, die Hintergründe und Konsequenzen zu verdeutlichen, die unser Handeln heute hat. So stellte Ute Frevert fest, daß es die Intrige der Männer quer durch die Jahrhunderte nicht gibt und daß Frauen immer auch mitmachen und Veränderungen mittragen.
Schade fand ich in der Berichterstattung auch, daß Frau Lukoschat mit keiner Silbe Marianne Schwarz erwähnte. Diese war eine der wenigen nicht nur theoretisierenden Frauen. Sie zeigte auf, wie ledige Frauen im allgemeinen und alleinerziehende im besonderen im Vergleich zu Ehefrauen Benachteiligung erfahren. Dazu nannte sie das Steuerrecht, die Erbfolge, die Besuchsregelungen im Krankenhaus und Gefängnis sowie das Zeugenaussagenverweigerungsrecht.
Statt Resignation und genereller Abwendung vom Mann wartet also eine Menge Arbeit auf alle: Frauen wie Männer. Gaby Wotke, Nottuln
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