: "Liebe taz..." Mit Kanonen auf Spatzen - betr.: "Betriebsrat: Raus aus der Kirche", taz-Bremen vom 7.10.1996
Betr.: „Betriebsrat: Raus aus der Kirche“ v. 7.10.
Sehr geehrte austrittswillige Betriebsräte! Liebe (noch?) Brüder in Christo!
Bevor man mit Kanonen auf Spatzen schießt, sollte man sich vergewissern, ob die Spatzen dort auch sitzen, wo man hinzielt. Die dpa, die Euren Aufruf zum Massenkirchenaustritt veröffentlichte, glaubt Euch nämlich nicht: „Karl Lehmann soll gesagt haben“, formulierte sie.
Mir liegt vor, was Lehmann gesagt hat. 18 Seiten, eng beschrieben, das Wort „Lohnfortzahlung“ kommt darin nicht vor. Wohl aber, daß es „illusionär“ wäre, „wollte man sich die Lösung der Probleme mit den Mitteln und Zielen von gestern vorstellen“. Im übernächsten Satz heißt es: „Die Gewerkschaften sind gut beraten, die realen Veränderungen ins Auge zu fassen. Alle ideologischen Instrumentalisierungen helfen nichts.“
Aber weiter heißt es auch, die Arbeitgeber sollten „mit Augenmaß vorgehen“, das soziale Klima nicht gefährden und den „Anschein aller Brutalität“ vermeiden. Bischof Lehmann unterstrich ferner, daß die Kirche „nicht im Dienst einer bestimmten Partei oder Position“ stehe, aber ständig achtgeben müsse, „nicht über den Tisch gezogen zu werden.“
Und um die Zielgenauigkeit der Delmenhorster Schützen weiter in Frage zu stellen, sei hinzugefügt, daß die evangelischen und katholischen Betriebsseelsorger Deutschlands am 2.10.96 erklärten, daß sie die „gesetzlich verfügte Einschränkung der Lohnfortzahlung als einen Affront gegen mühsam errungene Arbeitnehmerrechte“ betrachteten. Wer hier besser den „Mund hätte halten sollen“, dürfte damit wohl klar sein. Euer
Wilhelm Tacke, Pressesprecher der Katholiken in Bremen.
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