: "Liebe taz..." - Mehr Demokratie, betr.:"Volksbegehren weg", Kommentar in der taz vom 21.7.1997
„Volksbegehren weg“, Kommentar vom 21.7.1987
Naiv, wer das Volksbegehrensgesetz für unsinnig hält uns es abschaffen lassen will, anstatt zu fordern, die Möglichkeit des Volksbegehrens endlich bürgerInnenfreundlich zu gestalten!!
Das heißt, trotz leerer Bremer Kassen sollten auch Forderungen, die Geld kosten, in die parlamentarische Politik der Landesregierung einfließen. Politik, die kein Geld kosten darf, läuft auf bloße Absichtserklärungen hinaus - wie sich in § 14 der Bremischen Landesverfassung widerspiegelt.
Die politische Verantworung der BürgerInnen ernstmeinen und ernstnehmen bedeutet, die Möglichkeit des Volksbegehrens als realisierbare, basisdemokratische Kompetenz und Verantwortung der Menschen zu formulieren.
In Bayern ist die wahlberechtigte Bevölkerung bereits in der Lage, ihren PolitikerInnen, per Volksentscheid mehr oder weniger heftige Tritte gegen das Schienbein zu versetzten. Die beklagenswerte Eigenschaft von Politik Geld zu kosten, ist keine Bremensie. Doch die Politik kostet nicht nur Geld: In Bayern haben Volksbegehren dazu geführt, daß kostenintensive Projekte politisch neu überdacht werden mußten und eine Kostenreduzierung erreicht werden konnte. Was die bayrische Politik belebt, sollte auch für BremerInnen möglich sein!
Wenn der Kommentator fordert, das Volksbegehrensgesetz abzuschaffen, befindet er sich auf dem Niveau des Bremer Senats. In der jetzigen Form bietet das Gesetz keine Möglihckeit, politischen Einfluß zu nehmen. Verfolgt man die Hamburger Loklapolitik (nicht gerade in der Hamburger taz) kann man feststellen, daß das dort initierte Volksbegehren zur bürgerfreundlicheren Nutzung des Volksentscheids, auf viel positive Resonanz stößt.
Wer nicht bereit ist, der Bevölkerung reale Gestaltungsmöglichektien einzuräumen, ist in seinen Klagen über die Politikverdrossenheit unglaubwürdig. Mitbestimmung und Mitverantwortung setzen lebende und kritische Teilhabe der BürgerInnen in ihrem Gemeinwesen voraus. Sie sind aber auch notwendig, um diese Teilhabe zu entwickeln. Ergebnisse zu riskieren, die vielleicht oft ambivalent sind und immer wieder diskutiert werden müssen, heißt Demokratie wagen. Das Zitat von Willy Brandt: „ Mehr Demokratie wagen“, wäre dann nicht nur eine verstaubte Floskel, sondern ein Teil des so dringend erforderlichen politischen Handelns.
Elsbeth Rütten und Kirsten Popken
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