■ Die Anderen: "Le Monde" aus Paris, die Londoner "Times", "La Repubblica" aus Rom und "El Pais" aus Madrid kommentieren das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt
„Le Monde“ aus Paris kommentiert das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt: Es war schon wie ein Wunder: Die extreme Rechte schaffte ihren Einstieg in die Politik auf dem Gebiet der früheren DDR nicht, obwohl die Arbeitslosigkeit dort jeden Fünften trifft und die Gewalt der Neonazis stärker als anderswo ausgeprägt ist. Heute aber ist es vollbracht: Die Deutsche Volksunion zieht mit 13 Prozent in das Parlament von Sachsen-Anhalt ein. Die rechtsextreme Gewalt ist seit langem in der früheren DDR präsent. Zonen unter der Kontrolle der rassistischen Banden gelten als „ausländerfrei“. 45 Prozent der ausländerfeindlichen Delikte werden in den neuen Ländern des Ostens begangen, während dort nur 17 Prozent der Bevölkerung leben und davon nur zwei Prozent Ausländer sind – gegenüber zehn Prozent im Westen.
Die Londoner „Times“ meint zum gleichen Thema: Mit dem dramatischen Ausgang der Landtagswahl ist der Ausdruck Weimar wieder in das deutsche politische Lexikon zurückgekehrt. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem höchsten Stand seit 1932, und eine extrem rechte Partei hat die Fünfprozenthürde übersprungen. Diese Entwicklung bringt düstere Nachrichten für Bundeskanzler Kohl, der sich nun darauf einstellen muß, daß er die Länder im Osten verloren hat und voraussichtlich auch die Bundestagswahl verlieren wird. Mit der Bildung einer Großen Koalition könnte alles noch viel schlimmer werden. Das Land ist nicht mehr so stabil, wie es einmal war – und das ist das Signal von Sachsen-Anhalt.
„La Repubblica“ aus Rom schreibt: Das Votum für die DVU ist in gewisser Hinsicht vergleichbar mit dem für die PDS. Beide präsentieren sich als politische Unternehmer, die fähig sind, das Protestvotum anzuziehen, das sich bislang hauptsächlich durch die Verweigerung des Urnenganges ausdrückte. In Ostdeutschland – oder besser Mitteldeutschland, wie es die Männer von Frey, und nicht nur sie, nennen – hat sich inzwischen ein enormes Protestpotential konsolidiert, das sich gegen die Parteien und gegen die Demokratie im allgemeinen wendet.
„El Pais“ aus Madrid meint: Die Wahlen haben gezeigt, daß unter dem Dach eines Staates weiterhin zwei verschiedene Deutschlands existieren. Dies gilt nicht nur für die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch für das politische Verhalten. Die Wiedervereinigung ist nur zum Teil gelungen. Dafür hat Bundeskanzler Helmut Kohl nun die Quittung erhalten. Wegen der Rückschläge bei der Eingliederung des früheren Ostdeutschlands wird seine Führung in Frage gestellt. Noch nie zuvor kam in der Bundesrepublik eine rechtsradikale Partei aus dem Stand auf 13 Prozent.
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