■ Die Anderen: "Le Monde" (Paris) und "La Stampa" (Turin) über den Doping-Skandal bei der Tour de France / "Corriere della Sera" (Mailand) schreibt zur Vorladung Bill Clintons in der Lewinsky-Affäre
„Le Monde“ (Paris) fordert angesichts der Doping- Skandale bei der Tour de France, das wichtigste Radrennen der Welt abzubrechen: Die Tour de France 1998 ist vorbei. Ehrlich gesagt hat sie niemals begonnen. Besudelt durch die Verhaftung des Masseurs Willy Voet, die die Affäre Festina einleiten sollte, haben die Veranstalter der berühmtesten aller Radprüfungen alle Kräfte aufgeboten, deren sportliche Aktualität aufrechtzuerhalten, wo sie doch schon längst auf den vermischten Seiten gelandet war. Das Spektakel darf nicht weitergehen. Die Fahrer müssen sich einer Gewissensprüfung unterziehen. Polizei und Justiz müssen ohne jeden Druck arbeiten. Die Organisatoren, die Verbandsfunktionäre, die Ärzte und die Behörden müssen die Debatte eröffnen, die sie über Jahre aus Angst oder Eigeninteresse verweigert haben. Wenn die Tour de France, die so schöne Seiten der Sportgeschichte geschrieben hat, überleben will, darf sie der Wahrheit nicht mehr lange ausweichen.
„La Stampa“ (Turin) meint zum gleichen Thema: Hinter dem noblen Aktivismus von Chirac und Jospin ist die Psychose der Ankunft auf den Champs Élysées zu spüren. Am 12. Juli verwandelten sich die Himmlischen Felder in ein riesiges, heidnischen Eden für die blauweißroten Fans. Erwartet sie nach dem Paradies nun am 2. August ein Inferno? Durch Festnahmen dezimiert, per Definition verdächtigt und wankelmütig zwischen Rebellion und kraftlosem Fatalismus werden die Fahrer „die schönste Avenue der Welt“ in eine Rennstrecke verwandeln. Paris zittert. Die Erinnerung an die 1,5 Millionen Fans, die sie vor 13 Tagen überschwemmten, verblaßt wie jene Ikonen, die von andächtiger Inbrunst abgenutzt werden. An ihrer Stelle breitet sich eine stille kollektive Scham aus.
„Corriere della Sera“ (Mailand) schreibt zur Vorladung Bill Clintons in der Lewinsky-Affäre: Es ist das erste Mal, daß ein amerikanischer Präsident in einer Strafermittlung zur Aussage vor der Grand Jury vorgeladen wird. Wenn die Verhandlungen zwischen den Anwälten Clintons und dem Sonderermittler Starr über eine Alternativlösung – die Aufnahme seiner Aussage auf Video – scheitern, wird eine der gravierendsten Verfassungsschlachten des Jahrhunderts ausbrechen. Berufen kann sich der Präsident auf die Präzedenzfälle Reagan und Bush. Im Irangate begnügte sich Reagan mit einer schriftlichen Aussage. Bush hingegen ignorierte schlichtweg die Aufforderungen der Staatsanwaltschaft, die auf eine Vernehmung schließlich verzichtete. Doch für Clinton ist es unmöglich, Bush zu imitieren. Vor den Parlamentswahlen im November könnte eine Weigerung höchst gefährlich sein. Nach einer Umfrage von Fox-TV sind 64 Prozent der Amerikaner der Auffassung, daß Clinton endlich aus der Deckung kommen muß.
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