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"Ich kämpfe mit meinem Image"

■ Fußballnationalspieler Marco Bode über sein öffentliches Bild als intellektueller Profi, die Steigerung seines Marktwertes und sein Gefühl, damit auch von den DFB-Kollegen ernster genommen zu werden

taz: Herr Bode, wie fühlt man sich als bestbezahlter Spieler in der Vereinsgeschichte des SV Werder Bremen? Manager Lemke meinte, zu Ihrer Vertragsverlängerung könne man dem Verein gratulieren, zum neuen Gehalt allerdings müsse man eher kondolieren.

Marco Bode: Ich weiß nicht, ob ich der Bestbezahlte bin, ich habe keine Infos, was die anderen so verdienen.

Haben Sie sich nicht bei Kollegen wie Andreas Herzog oder Dieter Eilts erkundigt, die bislang die Spitzenverdiener waren?

Nein, das habe ich nicht gemacht. Vielleicht bin ich da auch ein bißchen naiv, aber ich bilde mir ein, bisher immer gewußt zu haben, was ich wert bin. Außerdem war der Rahmen durch die Angebote der anderen Vereine bereits vorgegeben.

Wie muß man sich das vorstellen? Hallo Werder, das bieten Hertha BSC und die Bayern, jetzt zieht mal nach, oder ich bin weg?

So nicht. Ich habe in all den Jahren meine Verträge selbst gemacht. Man liest schließlich Zeitung, hört auch einiges bei der Nationalmannschaft. Ich war in den vergangenen Monaten auch nicht so sehr wegen des Geldes hin- und hergerissen, sondern aus anderen Gründen.

Ah, jetzt kommt wieder die Schallplatte mit der neuen Sprache und...

Nein, nein, schon vor Jahren habe ich geäußert, daß ich mir einen Wechsel ins Ausland gut vorstellen könnte. Die neue Herausforderung nach zehn Jahren Bremen und die gegebenen Möglichkeiten lagen auf der einen Seite der Waage, auf der anderen Seite lagen mehr die persönlichen Dinge, wie die Stadt, in der ich mich zusammen mit meiner Freundin sehr wohl fühle, und meine Rolle in Mannschaft und Verein, die, glaube ich, schon wichtig ist.

So kennen wir ihn, den lieben Marco Bode, für den Geld nichts bedeutet, der schon mal mit dem Fahrrad zum Training kommt, einen Opel der Mittelklasse fährt...

Stop! Ich weiß, daß ich mit dem Image des intellektuellen Profis zu kämpfen habe. Allerdings: Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, daß der Verein die Veränderung meines Marktwertes nicht anerkannt hätte, dann wäre ich gegangen. Dem war aber nicht so. Und trotzdem, ohne mich zum Märtyrer zu stilisieren: wirtschaftlich lukrativer waren die Angebote der anderen Vereine.

Um wieviel lukrativer?

Da liegt noch erheblich was zwischen dem, was ich woanders hätte verdienen können, und dem, was ich in den nächsten beiden Jahren bei Werder verdiene. Eine Ausstiegsklausel habe ich übrigens auch nicht mehr. Und der Topverein aus dem Ausland war eben nicht bei den Angeboten dabei.

Ein Grund für Ihre Vertragsverlängerung soll das Angebot Werders sein, nach Ihrer Laufbahn als Sportdirektor einsteigen zu können, ein Posten, den es bislang in Bremen nicht gibt.

Wir haben darüber gesprochen, das ist richtig. Aber zugesagt oder schriftlich vereinbart wurde nichts. Daran erkennt man, daß meine Vertragsverlängerung damit nichts zu tun hatte.

Wollen Sie denn Sportdirektor werden?

Früher hätte ich mir das auch nicht vorstellen können. Aber ich bin bald 30, da muß man schon mal an die Zeit danach denken. Und ich habe bei vielen Kollegen mitbekommen, wie schwer denen der Übergang in ein anderes Berufsleben gefallen ist.

Hat Sie vielleicht Ihr ehemaliger Mannschaftskollege und Freund Rune Bratseth auf den Geschmack gebracht, der mittlerweile Manager bei Rosenborg Trondheim ist?

Rune war ziemlich wichtig für meine Karriere. Sein Verhalten auf und außerhalb des Platzes war vorbildlich. Er war sportlich total ehrgeizig, aber trotzdem ziemlich unabhängig vom alltäglichen Geschäft, einfach die Ruhe in Person. Ihm ist der Übergang auch sehr schwer gefallen. Mit der Position des Sportdirektors muß ich mich aber ganz alleine auseinandersetzen, mal sehen, wie ich mich in den nächsten beiden Jahren weiterentwickle. Derzeit ist ein solcher Job kein Thema.

Vielleicht doch lieber Mathe- oder Philosophielehrer? Das sind die Fächer, die Sie an der Fernuniversität studiert haben.

Das hätte ich mir zu Beginn meiner Bremer Zeit gut vorstellen können, Mathe und Sport auf Lehramt. Aber mittlerweile ist das eher unwahrscheinlich, daß ich das noch durchziehe. Nach über zehn Jahren Fußball ist man nicht mehr so flexibel, vielleicht auch gar nicht mehr motiviert, so etwas zu machen, besonders dann, wenn man zehn Jahre nicht regelmäßig studiert hat und letztendlich erst mit 40 Jahren in den Schuldienst eintreten würde. An der Fernuni habe ich mit großem Interesse einige Semester absolviert, allerdings ohne Abschluß. Derzeit bin ich nicht mehr eingeschrieben.

Herr Bode, fühlen Sie sich mit dem neuen Vertrag eigentlich endlich ernstgenommen im Klub der Millionäre, auch Nationalmannschaft genannt?

Wir werden mit unseren hohen Gehältern immer wieder in die Defensive gedrängt. Ich glaube, daß sich die Einstellung der Spieler zum Sport in den letzten Jahrzehnten nicht verändert hat. Geändert hat sich allerdings die öffentliche Meinung. Sicherlich sind unsere Gehälter zu hoch, wenn man sie mit sogenannten normalen Berufen vergleicht. Aber wenn man mit dem Profifußball vergleichbare Berufssparten nimmt, wie die Musikbranche oder das Showgeschäft allgemein, da ist es nun mal so, daß die Gehälter die Folge eines verstärkten Medieninteresses sind. Spannend ist für mich in der Nationalmannschaft etwas ganz anderes.

Wir sind gespannt.

In Florida habe ich gegen Kolumbien zwar mein elftes Länderspiel gemacht, aber zum ersten Mal volle 90 Minuten gespielt. In den letzten Jahren war ich immer der Kandidat, der mal eingeladen wurde, mal nicht, und wenn er dabei war, nur eingewechselt wurde. Ich habe mich nie als etablierter Nationalspieler gesehen. Jetzt aber habe ich schon das Gefühl, ernster genommen zu werden. Und bei der Vorstellung, daß ich jetzt gegen Nordirland und Finnland meinen Teil zur EM-Qualifikation tatsächlich auf dem Platz beitragen könnte, dann kribbelt es schon. Dann überwiegt bei dem ganzen öffentlichen Druck bei mir die Vorfreude auf diese Spiele. Interview: Jürgen Rollmann

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