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"Ich hatte Angst"

■ Ein Gespräch mit "A Gun for Jennifer"-Regisseur T. Morris und Schauspielerin D. Twiss über Gewalt und Fiktionen weiblicher Wut

Die Schauspielerin Deborah Twiss und der Filmemacher Todd Morris finden die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung herkömmlicher Actionfilme langweilig. Mit „A Gun for Jennifer“ drehen sie den Spieß um. Zur Strafe bekommen sie schon mal vorgeworfen, daß sie zu gewalttätigem Handeln auffordern würden. „Jeder Mann ist ein Vergewaltiger“: So lautet das Motto einer Gruppe männermordender Terroristinnen, die das Personal von Todd Morris' Spielfilm „A Gun for Jennifer“ stellen. Als Streiterinnen wider einen Sexismus, den sie mitunter selbst heraufbeschwören, ist ihnen jedes Mittel recht. Nachdem sie die gerade in New York gestrandete Jennifer vor einer Vergewaltigung bewahrt haben, zwingen sie sie, sich der Gruppe anzuschließen und an Attentaten teilzunehmen. Morris, unabhängiger Filmemacher aus New York, inszeniert all dies mit geringem Budget und einem unübersehbaren Faible für schweres Geschütz und blutige Szenen. „A Gun for Jennifer“ gerät so zu einem kruden Film, der mit schillernden Rache- und Gewaltphantasien aufwartet, aber mit Identifikationsflächen geizt.

taz: Wie kam die Idee zu „A Gun for Jennifer“ zustande?

Deborah Twiss: Um meine Schauspielausbildung zu finanzieren, mußte ich jobben. Ich arbeitete als Kellnerin, doch mein Probenplan ließ sich mit meinen Arbeitszeiten nicht vereinbaren. Da schlug mir eine Freundin vor, daß ich in einem Nachtclub als Tänzerin arbeiten könnte, weil mir das Freiheit ließe und viel Geld brächte. Aber so war es nicht. Ich erlebte viele Feindseligkeiten seitens der Männer, bekam eine Menge häßliche Sachen zu hören, und so entstand so etwas wie eine Vision, die später zu „A Gun for Jennifer“ werden sollte.

Todd Morris: Deborahs Erfahrungen während ihrer Arbeit im Nachtclub haben sich sehr stark auf die Grundstimmung des Films ausgewirkt – vor allem, was die Wut der Protagonistinnen angeht.

Frau Twiss, Sie haben als Hauptdarstellerin, Koautorin und als Produzentin an dem Film mitgewirkt. Wie lebte es sich mit dieser Personalunion?

Twiss: Das war sehr spannend. Meine rechte und meine linke Gehirnhälfte wurden gleichermaßen angeregt und konnten einander ergänzen. Es war natürlich viel Arbeit. Aber ich glaube, je mehr man selbst macht, je mehr man mit allem, was während der Produktion geschieht, in Berührung kommt, um so eher kann der Film der eigenen, ursprünglichen Vision entsprechen.

War es für Sie ungewöhnlich, die mit Stunts und Schießereien verbundene Rolle der Jennifer zu spielen?

Twiss: Ja. Es war sehr aufregend. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben eine Waffe berührt – auch wenn es nur eine Attrappe war. Und ich war sehr nervös, als wir die Szene drehten, in der die anderen Frauen aus dem Auto stürmen, während ich noch im Wagen bleibe, mit zwei Waffen in der Hand. Die ganze Zeit schoß es mir durch den Kopf: „Ich habe Angst“. Aber es hat funktioniert...

Morris: Du solltest ja gerade auch wie jemand wirken, der keine Erfahrung mit Waffen und Gewalt hat.

Twiss: Genau. Es ist das erste Mal, daß Jennifer in eine Schießerei verwickelt ist, daß sie Kontakt zu einer terroristischen Gruppe hat.

Wie kommt es, daß Sie die Gewalt so sehr fokussieren?

Twiss: Weil wir zeigen wollten, daß Frauen zu allem fähig sind, wozu Männer auch fähig sind. Ich habe so oft sehr gewaltreiche Actionfilme gesehen, in denen immer die Männer die Helden sind. Frauen sind nichts anderes als Sexobjekte, die von den Helden gerettet werden. Und danach...

Morris: ...unterwerfen sie sich...

Twiss: Genau. Haben Sex mit dem Helden und sagen Dinge wie: „Wenn du nicht gekommen wärest, um mich zu retten, wäre ich verloren, also gebe ich mich dir hin“. Das ist so verdammt langweilig. Deswegen dachte ich mir, wir drehen den Spieß um und legen die Männer so eindimensional an, wie das in den gewöhnlichen Actionfilmen mit den Frauen geschieht. Im Gegenzug werden bei uns die Frauen als komplexe und auch als gewalttätige Figuren dargestellt. Sie sind Terroristinnen und handeln innerhalb einer terroristischen Logik.

Warum haben Sie vor der Vorführung von „A Gun for Jennifer“ im Rahmen des BerlinBeta-Festivals extra hervorgehoben, daß es sich nicht um einen Dokumentarfilm handelt?

Twiss: Ich sage das fast immer, bevor der Film gezeigt wird. Viele Leute sehen sich den Film an und glauben, daß man in New York tatsächlich auf Menschen trifft, die wie die Figuren im Film sind.

Morris: New York mag zwar eine harte Stadt sein, aber natürlich nicht so, wie wir das im Film darstellen. Es geht hier um eine Phantasie, eine Fiktion von weiblicher Wut, nicht darum, die Zuschauer zum Waffengebrauch anzuregen, wie uns schon vorgeworfen wurde. Bei einer Vorführung in Brüssel zum Beispiel hatte ich eine Diskussion mit einer Zuschauerin, die mich fragte, wie ich nur einen solchen Film machen könne, mit dem ich noch mehr Gewalt in die Welt trüge. Da geht es natürlich auch um Zensur. Man kann doch einen Film nicht verbieten, weil man meint, er stifte andere zur Gewalt an. Das stimmt einfach nicht. Interview: Cristina Nord

„A Gun for Jennifer“, Regie: Todd Morris, Buch: Deborah Twiss & Todd Morris. Mit: Deborah Twiss, Benja Kay, Veronica Cruz u.a., USA 1996, 91 Min.

Ab heute im Eiszeit-Kino, Zeughofstr. 5, Kreuzberg

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