: "Es ist widerlich"
■ Rassistische Zeitungsserie in Schweden gestoppt
Stockholm (taz) – Carl-Johan Bonnier hatte nur einen Satz dafür übrig, was die auflagenstärkste Tageszeitung seines Verlagsimperiums in der vergangenen Woche anstellte: „Es ist widerlich!“ Um die LeserInnen der Boulevardzeitung Expressen auf eine Serie über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Lande einzustimmen, hatte die Zeitung ganz Schweden mit Plakaten, die die Überschrift „Schmeißt sie raus!“ und ein Hakenkreuz in den blau-gelben Landesfarben verbreiteten, überzogen. Das „Schmeißt sie raus!“ bezog sich auf die Ergebnisse einer Meinungsumfrage, wonach sich die Mehrheit der SchwedInnen dafür ausgesprochen haben soll, den Aufenthalt von illegal im Lande lebenden AusländerInnen auch tatsächlich zu beenden.
Eine Nachricht, die zwar korrekt im Kleingedruckten wiedergegeben war, deren falsche Zuspitzung in Überschriften und auf Plakaten aber etwas ganz anderes suggerierte. Expressen ist zwar eine Boulevardzeitung, hatte sich bislang aber nie für rechte Parolen hergegeben. Im Gegenteil: Die Blätter des Bonnier-Verlages bewegen sich durchweg im links-liberalen Spektrum. Offenbar war der derzeit zwischen den Boulevardzeitungen in Schweden tobende Auflagenkampf der Grund dafür, mit einer vermeintlich „populären“ Schlagzeile KäuferInnen zu gewinnen. Die Auflagenzahlen zeigen in der gegenwärtigen Rezession nach unten. Expressens Verkaufsziffern sind innerhalb eines Jahres um 20 Prozent abgesackt. Und das Setzen auf das, was SoziologInnen „Sozialpornographie“ nennen, ging ebenfalls voll in die Hose. Statt ein Auflagenplus zu verzeichnen, blieb Expressen in der vergangenen Woche an den Kiosken liegen, bis der Verleger sein Machtwort gesprochen und Chefredakteur Erik Mansson öffentlich bloßgestellt hatte. Viele, vor allem ausländische ZeitungshändlerInnen weigerten sich nicht nur, die Plakate aufzuhängen, sondern ließen die Expressen-Bündel gleich ungeöffnet zurückgehen. Andere empfahlen potentiellen KäuferInnen doch bitte die Konkurrenzblätter Aftonbladet oder Idag zu kaufen. Ein pakistanischer Händler in Stockholm verkündete per Plakat: „Wir haben Expressen, aber verkaufen ihn nicht gern.“ Obwohl der Verlag noch keine Verkaufszahlen nannte, dürfte ein Fünftel der üblichen Auflage nicht abgesetzt worden sein.
Die Plakatflächen wurden nun weiß überklebt, die Verkaufszettel verkünden seit dem vergangenen Wochenende wieder wie üblich von Mord, Gewalttaten und Skandalen. Und die Kioskplakate der letzten Woche sind in rassistischen Organisationen zum begehrten Sammlerobjekt geworden. Das Werbebüro von Expressen hat ihnen kostenlos zu neuen Slogans und Symbolen verholfen. Reinhard Wolff
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