■ Die Anderen: "Corriere della Sera" und "Moskowski Komsomolez" über die Krise in Rußland
Die Gefahr einer Auflösung Rußlands in seine Regionen sieht der Mailänder „Corriere della Sera“: Weltabgeschieden in einem nahezu imperialen Palast vor den Toren der Stadt entscheidet Boris Jelzin, umgeben nur von seinen Mitarbeitern, wie ein Autokrat vergangener Zeiten über die Zukunft des Landes. Derweil spitzt sich die wirtschaftliche Lage weiter zu. Die russischen Regionen – einige davon so groß wie halb Europa – beginnen autonom zu handeln. Sie blockieren die Preise, „regionalisieren“ angeschlagene Unternehmen und rufen quasi den Notstand aus wie Kaliningrad. Sie nehmen damit vorweg, was zum Zukunftsszenario werden könnte: die Auflösung des Landes – ein Kollaps sowjetischen Stils.
Auch das Blatt „Moskowski Komsomolez“ sieht die Einheit Rußlands durch die Krise gefährdet: Die Krise bringt noch eine Gefahr mit sich. Nämlich den teilweisen Zerfall Rußlands in Gouvernements. Mit der Verschärfung der Wirtschaftslage hören die Regionen auf, Steuern an den Staatshaushalt abzuführen, und beginnen, ein eigenes System der Versorgung mit Waren aufzubauen. Was wahrscheinlich verlorengehen wird, ist Dagestan im Kaukasus. Der Bürgerkrieg, den das mit den eigenen Problemen beschäftigte Moskau kaum bemerkt, nimmt immer größere Ausmaße an. Die Separatisten werden es sich nicht entgehen lassen, die Situation auszunutzen. Und dann lebe wohl, du unser nordkaukasischer Süden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen